Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
an, und während er in das entsetzte Gesicht Balouns blickte, rief er siegesbewußt: »Da hast du dir geholfen, Baloun. Guten Appetit wünsch ich! Und wenn du mir das noch einmal anstellst, schick ich dich ohne Erbarmen vors Feldgericht!«
Als Wanĕk zurückkehrte und meldete, daß Baloun schon angebunden sei, sagte Oberleutnant Lukasch: »Sie kennen mich, Wanĕk, daß ich solche Sachen nicht gern mache, aber ich kann mir nicht helfen. Erstens werden Sie einsehn, daß der Hund knurrt, wenn man ihm den Knochen wegnimmt. Ich will keinen niederträchtigen Kerl um mich haben, und zweitens hat schon der Umstand, daß Baloun angebunden wird, eine große moralische und psychologische Bedeutung für die ganze Mannschaft. Die Kerle machen in der letzten Zeit, seit sie bei der Marschkompanie sind und wissen, daß sie morgen oder übermorgen ins Feld gehen, was sie wollen.«
Oberleutnant Lukasch sah recht abgehärmt aus und fuhr mit leiser Stimme fort: »Vorgestern bei der Nachtübung haben wir, wie Sie wissen, gegen die Einjährigfreiwilligenschule hinter der Zuckerfabrik manövrieren sollen. Der erste Schwarm, die Vorhut, der ist noch ruhig über die Straße gegangen, weil ich ihn selbst geführt hab, aber der zweite, der nach links gehen und Vorpatrouillen zu der Zuckerfabrik vorschicken sollte, der hat sich betragen, wie wenn er von einem Ausflug heimkehren würde. Sie haben gesungen und gestampft, daß mans bis im Lager hören mußte. Dann ist am rechten Flügel der dritte Schwarm das Terrain unterhalb des Waldes rekognoszieren gegangen, gute zehn Minuten von uns entfernt, und noch auf diese Entfernung war zu sehn, wie die Kerle rauchen, lauter feurige Punkte in der Finsternis. Und der vierte Schwarm, der die Nachhut bilden sollte, der Teufel weiß, wie es geschehen ist, ist plötzlich vor unserer Vorhut aufgetaucht, so daß er für den Feind gehalten wurde und ich vor der eigenen Nachhut zurückweichen mußte, die gegen mich vorrückte. Das ist die 11. Marschkompanie, die ich übernommen habe. Was kann ich aus |425| ihnen machen? Wie werden sie sich im wirklichen Gefecht benehmen?«
Oberleutnant Lukasch hatte dabei die Hände gefaltet, sah aus wie ein Märtyrer, und seine Nasenspitze wurde immer länger.
»Daraus machen Sie sich nichts, Herr Oberlajtnant«, bemühte sich Rechnungsfeldwebel Wanĕk ihn zu beruhigen, »zerbrechen Sie sich nicht damit den Kopf. Ich war schon bei drei Marschkompanien, jede ham sie uns samtn ganzen Bataillon zerdroschen, und wir sind uns neu formieren gegangen. Und alle Marschkompanien waren eine wie die andere, keine war um ein Haar besser als die Ihre, Herr Oberlajtnant. Am ärgsten war die neunte. Die hat alle Chargen samt dem Kompaniekommandanten in die Gefangenschaft geschleppt. Mich hat nur das gerettet, daß ich zum Regimentstrain für die Kompanie Rum und Wein fassen gegangen bin und sie es ohne mich abgemacht ham.
Und das wissen Sie nicht, Herr Oberlajtnant, daß bei der letzten Nachtübung, von der Sie erzählt ham, die Einjährigfreiwilligenschule, die unsere Kompanie einkreisen sollte, bis zum Neusiedler See gekommen is? Sie is fortweg marschiert, bis früh, und die Vorposten sind bis in den Sumpf geraten. Und Hauptmann Sagner hat sie selbst geführt. Sie wären vielleicht bis nach Sopron gekommen, wenns nicht getagt hätt«, fuhr der Rechnungsfeldwebel, dem solche Vorkommnisse viel Vergnügen bereiteten und der alle ähnlichen Begebenheiten in Evidenz hielt, mit geheimnisvoller Stimme fort.
»Und wissen Sie, Herr Oberlajtnant«, sagte er, vertraulich blinzelnd, »daß der Hauptmann Sagner Bataillonskommandant unseres Marschbataillons werden soll? Zuerst hat man, wie der Stabsfeldwebel Hegner gesagt hat, gedacht, daß Sie, weil Sie der älteste Offizier bei uns sind, Bataillonskommandant sein wern, und dann is es herich von der Division zur Brigade gekommen, daß Herr Hauptmann Sagner ernannt ist.«
Oberleutnant Lukasch biß sich auf die Lippe und zündete sich eine Zigarette an. Er wußte davon und war überzeugt, daß ihm ein Unrecht geschah. Hauptmann Sagner hatte ihn bereits |426| zweimal im Avancement übersprungen; aber er sagte nichts anderes als: »Was den Hauptmann Sagner …«
»Ich hab davon keine große Freude«, meinte der Rechnungsfeldwebel vertraulich. »Stabsfeldwebel Hegner hat erzählt, daß sich Herr Hauptmann Sagner in Serbien bei Kriegsbeginn irgendwo bei Montenegro in den Bergen auszeichnen wollt und eine Kompanie seines Bataillons nach der andern in
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