Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
war die vollklingende Begleitung zu seinem unendlich zufriedenen, sorglosen Gesicht. Er sah aus wie der griechische Gott des Diebstahls in der nüchternen Uniform eines österreichischen Infanteristen.
Oberleutnant Lukasch schloß für einen Augenblick die Augen vor dem Anblick des braven Soldaten Schwejk, der ihn mit seinem Blick umarmte und küßte.
Ungefähr mit demselben Wohlgefallen hatte der verschwenderische verlorene und wiedergefundene Sohn seinen Vater betrachtet, als dieser ihm zu Ehren ein Lamm am Spieße drehte.
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß ich wieder hier bin«, meldete sich Schwejk von der Türe her mit einer so aufrichtigen Ungezwungenheit, daß der Oberleutnant mit einem Schlag zu sich kam. Seit dem Augenblick, da Oberst Schröder ihm mitgeteilt hatte, daß er ihm Schwejk wieder auf den Hals schicken werde, hatte Oberleutnant Lukasch im Geiste täglich dieses Zusammentreffen hinausgeschoben. Jeden Morgen sagte er sich: Er kommt heut noch nicht, er hat dort vielleicht etwas angestellt, und sie lassen ihn noch dort.
Und all diese Kombinationen führte Schwejk mit seinem so lieb und einfach durchgeführten Eintreten auf das richtige Maß zurück.
Schwejk schaute jetzt den Rechnungsfeldwebel Wanĕk an, wandte sich an ihn und reichte ihm mit einem freundlichen Lächeln die Papiere, die er aus der Manteltasche zog: »Melde gehorsamst, Herr Rechnungsfeldwebel, daß ich diese Papiere |429| übergeben soll, die man mir in der Regimentskanzlei ausgestellt hat. Es is wegen der Löhnung und meiner Verpflegungsvorschüsse.«
Schwejk bewegte sich so frei und gesellschaftlich in der Kanzlei der 11. Marschkompanie, als wäre er Wanĕks bester Kamerad, worauf der Rechnungsfeldwebel einfach mit den Worten reagierte: »Legen Sies aufn Tisch.«
»Sie werden sehr gut daran tun, Rechnungsfeldwebel, wenn Sie mich mit Schwejk allein lassen werden«, sagte Oberleutnant Lukasch mit einem Seufzer.
Wanĕk ging und blieb hinter der Tür stehen, um zuzuhören, was die beiden einander sagen würden.
Anfangs vernahm er nichts, denn Schwejk und Oberleutnant Lukasch schwiegen. Beide blickten einander lange an und beobachteten einander; Lukasch blickte auf Schwejk, als wollte er ihn hypnotisieren wie ein Hahn, der einem Hühnchen gegenübersteht und sich anschickt, sich darauf zu stürzen.
Schwejk blickte wie immer mit seinem feuchten, sanften Blick auf Oberleutnant Lukasch, als wollte er ihm sagen: Wieder vereint, mein süßes Seelchen, jetzt wird uns nichts mehr trennen, mein Täubchen.
Und als der Oberleutnant lange nicht sprach, redete der Ausdruck in Schwejks Augen in wehmütiger Zärtlichkeit: Also sag etwas, mein Goldener, äußer dich!
Oberleutnant Lukasch unterbrach dieses peinliche Schweigen mit folgenden Worten, in die er eine tüchtige Portion Ironie zu legen suchte: »Schön willkommen, Schwejk. Ich danke Ihnen für den Besuch. Sind das aber Gäste.«
Er konnte sich jedoch nicht zurückhalten, und die Wut der letzten Tage machte sich Luft in einem furchtbaren Faustschlag auf den Tisch, so daß das Tintenfaß in die Höhe sprang und Tinte auf die »Löhnungsliste« spritzte.
Gleichzeitig sprang Oberleutnant Lukasch empor, stellte sich direkt vor Schwejk und brüllte ihn an: »Sie Rindvieh!« Dann fing er an, in dem schmalen Raum der Kanzlei auf und ab zu gehen, wobei er immer vor Schwejk ausspuckte.
|430| »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, sagte Schwejk, als Oberleutnant Lukasch nicht aufhörte, herumzugehen und zerknüllte Papierklumpen, die er jedesmal vom Tisch nahm, zornig in eine Ecke zu werfen, »daß ich den Brief ordentlich abgegeben hab. Ich hab Frau Kakonyi glücklich gefunden und kann sagen, daß sie ein sehr hübsches Frauenzimmer is, ich hab sie zwar gesehn, wie sie geweint hat …«
Oberleutnant Lukasch setzte sich auf das Kavallett des Rechnungsfeldwebels und rief mit heiserer Stimme: »Wann wird das ein Ende nehmen, Schwejk?«
Schwejk erwiderte, als hätte er es überhört: »Dann hab ich dort eine kleine Unannehmlichkeit gehabt, aber ich hab alles auf mich genommen. Man hat mir zwar nicht geglaubt, daß ich mit der Frau korrespondier, so hab ich den Brief lieber beim Verhör verschluckt, damit ich jede Spur verwisch. Dann hab ich mich durch einen puren Zufall, anders kann ich mirs nicht erklären, in ein kleines und ganz unbedeutendes Prügeleichen verwickelt. Auch draus bin ich herausgekommen, und man hat meine Unschuld eingesehn und mich zum Regimentsrapport
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