Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
treuen Heerführer. Der Ernst des Augenblicks lagerte über dem ganzen Kreise, denn, liebe Soldaten, nicht weit entfernt von dem Feldmarschall konnte man einen Krieger sehen, der mit dem Tode rang. Mit zerschmetterten Gliedern auf dem Felde der Ehre fühlte der verwundete Fähnrich, wie Marschall |471| Radetzky auf ihn blickte. Der brave verwundete Fähnrich drückte noch in der erstarrenden Rechten die goldene Medaille mit krampfhafter Begeisterung. Beim Anblick des edlen Feldmarschalls lebte der Pulsschlag seines Herzens nochmals auf; durch den erstarrenden Leib zuckte der letzte Rest an Kraft, und der Sterbende versuchte mit übermenschlicher Anstrengung zu seinem Feldmarschall zu kriechen.
›Gönn dir Ruhe, mein braver Krieger‹, rief ihm der Marschall zu, stieg vom Pferd und wollte ihm die Hand reichen.
›Es geht nicht, Herr Feldmarschall‹, sagte der sterbende Krieger, ›ich habe beide Hände abgeschossen, nur um eins bitte ich. Sagen Sie mir die volle Wahrheit. Ist die Schlacht vollständig gewonnen?‹
›Vollständig, lieber Bruder‹, sagte der Feldmarschall freundlich, ›schade, daß deine Freude durch deine Verwundung getrübt ist.‹
›Freilich, edler Herr, mit mir gehts zu Ende‹, sagte der Krieger mit dumpfer Stimme, freundlich lächelnd. ›Hast du Durst?‹ fragte Radetzky. ›Der Tag war heiß, Herr Feldmarschall, wir hatten dreißig Grad Hitze.‹ Da ergriff Radetzky die Flasche seines Adjutanten und reichte sie dem Sterbenden. Dieser trank einen mächtigen Schluck. ›Vergelts Gott tausendmal‹, rief er, indem er sich bemühte, seinem Befehlshaber die Hand zu küssen. ›Wie lange dienst du?‹ fragte ihn dieser. ›Über vierzig Jahre, Herr Feldmarschall! Bei Aspern habe ich die goldene Medaille erworben. Auch bei Leipzig war ich, das Kriegskreuz besitze ich ebenfalls, fünfmal war ich tödlich verletzt, aber jetzt ist es endgültig aus mit mir. Aber welche Wonne und Seligkeit, daß ich den heutigen Tag erlebt habe. Was liegt mir am Tod, da wir einen glorreichen Sieg errungen haben und der Kaiser sein Land zurückerhält.‹
In diesem Augenblick, liebe Soldaten, ertönten aus dem Lager die erhabenen Klänge unserer Volkshymne: ›Gott erhalte, Gott beschütze‹; mächtig und erhaben schwebten sie über das Schlachtfeld. Der gefallene Krieger, der vom Leben Abschied nahm, versuchte nochmals, sich aufzurichten.
›Hoch Österreich‹, rief er begeistert, ›Hoch Österreich! |472| Fahrt fort in dem herrlichen Lied! Hoch unsere Heerführer. Es lebe die Armee!‹
Der Sterbende beugte sich nochmals über die Rechte des Feldmarschalls und küßte sie; dann sank er nieder, und ein leiser letzter Seufzer entrang sich seiner edlen Seele. Der Heerführer stand mit entblößtem Haupt vor der Leiche eines der bravsten Krieger. ›Dieses schöne Ende ist in der Tat beneidenswert‹, sagte der Feldmarschall bewegt, das Antlitz auf die gefalteten Hände gesenkt.
Liebe Krieger, auch ich wünsche euch, daß ihr alle ein so schönes Ende erleben möget.«
Als Schwejk an diese Rede des Oberfeldkuraten Ibl dachte, konnte er ihn tatsächlich, ohne ihm das geringste Unrecht zuzufügen, einen Blödian ohnegleichen nennen.
Dann begann Schwejk von den bekannten Befehlen zu sprechen, die ihnen vor der Einwaggonierung verlesen worden waren. Der eine war der von Franz Joseph unterschriebene Armeebefehl, der zweite der Befehl des Erzherzogs Joseph Ferdinand, des Oberkommandanten der Armeegruppe Ost, beide die Begebenheiten am Duklapaß am 3. April 1915 betreffend, an welchem Tag zwei Bataillone des 28. Regiments samt den Offizieren unter den Klängen der Regimentskapelle zu den Russen übergegangen waren.
Beide Befehle wurden mit zitternder Stimme verlesen und lauteten:
Armeebefehl vom 17. April 1915
Schmerzerfüllt verordne ich, daß das k. u. k. Infanterie-Regiment Nummer 28 wegen Feigheit und Hochverrat ausgestoßen werde aus meinem Heere. Die Fahne ist dem entehrten Regimente abzunehmen und dem Heeresmuseum einzuverleiben. Die Geschichte des Regimentes, das vergiftet in seiner Moral von Hause aus ins Feld gezogen ist, um Hochverrat zu üben, hat mit heutigem Tage aufgehört.
Franz Joseph m. p.
|473| Armeebefehl des Erzherzogs Joseph Ferdinand
Am 3. April haben sich in den schweren Kämpfen am Duklapaß zwei Bataillone des 28. Infanterie-Regimentes samt den Offizieren, ohne von der Feuerwaffe Gebrauch gemacht zu haben, einem einzigen russischen Bataillone ergeben und dadurch die größte
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