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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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sehr schlecht. Oben rücken sie uns schon auf Krakau und unten nach Ungarn! Wir wern gedroschen wie Korn, wohin man sich umsieht, und drum beruft man mich ein. Ich hab Ihnen doch gestern aus der Zeitung vorgelesen, daß unser teures Vaterland von düstern Wolken bedräut wird.«
    »Aber Sie können sich doch nicht rühren.«
    »Das macht nichts, Frau Müller, ich wer im Wagerl zur Assentierung fahren. Sie kennen doch den Zuckerbäcker um die Ecke, der hat so ein Wagerl. Vor Jahren hat er drin seinen lahmen, bösen Großvater an die frische Luft gefahren. Sie wern mich in diesem Wagerl zur Assentierung ziehn, Frau Müller.«
    Frau Müller brach in Tränen aus. »Soll ich nicht um den Doktor laufen, gnä’ Herr?«
    »Nirgends wern Sie hingehn, Frau Müller, ich bin bis auf die Füß ein ganz gesundes Kanonenfutter, und in einer Zeit, wos mit Österreich schiefgeht, muß jeder Krüppel auf seinem Platz sein. Kochen Sie ruhig den Kaffee.«
    |60| Und während Frau Müller verweint und aufgeregt den Kaffee seihte, sang der brave Soldat Schwejk in seinem Bett:
    General Windischgrätz und die hohen Herren,
    als die Sonne aufging, gaben die Befehle:
    hopp, hopp hopp!
    Gaben die Befehle, schrien aus voller Kehle:
    Hilf uns doch, Jesus Christ und Jungfrau Maria:
    hopp, hopp hopp!
    Die erschrockene Frau Müller vergaß unter dem Eindruck des fürchterlichen Kriegsgesanges den Kaffee. Am ganzen Körper zitternd, hörte sie entsetzt, wie der brave Soldat Schwejk im Bette weitersang:
    Mit der Heiligen Jungfrau auf die starken Brucken,
    Piemont, wir werden doch hinüberrucken;
    hopp, hopp hopp!
    Ja, das war ein Kampf bei Solferino dorten,
    Blut floß dort in Fülle, floß dort allerorten;
    hopp, hopp hopp!
    Blut bis zu den Knien wie im Fleischerladen,
    weil sich die Achtzehner dort geschlagen haben;
    hopp, hopp hopp!
    Achtzehner, ihr Braven, fürchtet nicht Gefahren,
    denn man bringt euch schon die Löhnung nachgefahren;
    hopp, hopp hopp!
    »Gnä’ Herr, um Gottes willen«, scholl es klagend aus der Küche, aber Schwejk beendete schon sein Kriegslied:
    Löhnung nachgefahren und Menage zum Fressen,
    welches Regiment könnt sich mit uns messen?
    hopp, hopp hopp!
    Frau Müller stürzte aus der Tür und lief um den Arzt. Sie kehrte nach einer Stunde zurück. Schwejk war eingeschlummert.
    |61| Er wurde von einem dicken Herrn geweckt, der seine Hand eine Zeitlang auf Schwejks Stirn ruhen ließ und sagte: »Fürch ten Sie sich nicht, ich bin der Doktor Pavek aus den Weinbergen – zeigen Sie mir die Hand – dieses Thermometer stecken Sie unter die Achsel – so – zeigen Sie die Zunge – noch mehr – halten Sie die Zunge – woran ist Ihr Herr Vater und Ihre Mutter gestorben?«
    Und so verschrieb Doktor Pavek in der Zeit, da Wien wünschte, daß alle Nationen Österreich-Ungarns die glänzendsten Beweise der Treue und Ergebenheit erbringen mögen, Schwejk gegen seine patriotische Begeisterung Brom und empfahl dem wackeren und braven Krieger, nicht an den Krieg zu denken.
    »Liegen Sie gerade und verhalten Sie sich ruhig, morgen komm ich wieder.«
    Als er am nächsten Tage kam, fragte er in der Küche Frau Müller, wie es dem Patienten gehe.
    »Es steht ärger mit ihm, Herr Doktor«, antwortete sie aufrichtig bekümmert, »in der Nacht hat er, mit Vergeben, wie ihn das Rheuma gepackt hat, die österreichische Hymne gesungen.«
    Doktor Pavek sah sich gezwungen, auf diese neue Loyalitätskundgebung des Patienten mit einer erhöhten Dosis Brom zu reagieren.
    Am dritten Tage meldete ihm Frau Müller, daß es mit Schwejk noch schlimmer stehe.
    »Nachmittag, Herr Doktor, hat er sich eine Karte vom Kriegsschauplatz holen lassen, und in der Nacht hat ihn der Rappl gepackt, daß Österreich siegen wird.«
    »Und die Pulver nimmt er genau nach Vorschrift ein?«
    »Er hat sich noch nicht mal drum geschickt, Herr Doktor.«
    Nachdem Doktor Pavek Schwejk mit einer Flut von Vorwürfen überschüttet hatte, verließ er ihn mit der Versicherung, daß er nie mehr kommen werde, um einen Menschen zu behandeln, der seine ärztliche Hilfe samt dem Brom ablehne.
    Es fehlten nur noch zwei Tage, nach deren Ablauf Schwejk vor der Assentierungskommission erscheinen sollte.
    |62| In dieser Zeit traf Schwejk wichtige Vorbereitungen. Vor allem ließ er sich von Frau Müller eine Militärkappe kaufen; hierauf schickte er sie fort, um das Wagerl von dem Zuckerbäcker um die Ecke zu entleihen, in dem dieser einst seinen bösen, lahmen Großvater an die frische Luft

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