Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
der Geschichte seiner Bataillone die Geschichte des Regiments zusammen. Die Regimenter bilden die Geschichte der Brigaden, die Geschichte der Brigaden die Geschichte der Divisionen |585| usw. Ich werde mich mit allen Kräften bemühen, Herr Hauptmann.«
Der Einjährigfreiwillige Marek legte die Hand aufs Herz.
»Ich werde mit wirklicher Liebe die glorreichen Tage unseres Bataillons verzeichnen, insbesondere heute, wo die Offensive in vollem Zuge ist, wo es ernst wird und unser Bataillon das Schlachtfeld mit seinen Heldensöhnen bedecken wird. Ich werde gewissenhaft alle Begebenheiten verzeichnen, die sich ereignen müssen, damit die Seiten der Geschichte unseres Bataillons von Lorbeeren umkränzt sind.«
»Sie werden sich beim Bataillonsstab aufhalten, Einjährigfreiwilliger, werden aufpassen, wer zur Auszeichnung vorgeschlagen wurde, werden – allerdings nach unseren Aufzeichnungen – die Märsche verzeichnen, die besonders auf eine außergewöhnliche Kampflust und stählerne Disziplin des Bataillons schließen lassen. Das ist nicht so leicht, Einjährigfreiwilliger, aber ich hoffe, daß Sie soviel Beobachtungstalent haben, um unser Bataillon, wenn Sie von mir bestimmte Direktiven erhalten, über die andern Regimentsteile zu erheben. Ich werde ein Telegramm ans Regiment abschicken, daß ich Sie zum Bataillonsgeschichtsschreiber ernannt habe. Melden Sie sich bei Feldwebel Wanĕk von der 11. Kompanie, damit er Sie dort im Waggon unterbringt. Dort ist noch so am meisten Platz, und sagen Sie ihm, er soll zu mir herkommen. Geführt werden Sie allerdings beim Bataillonsstab werden. Das wird mittels Bataillonsbefehl durchgeführt.«
Der Koch-Okkultist schlief. Baloun zitterte fortwährend, weil er auch schon die Sardinenbüchse des Oberleutnants geöffnet hatte; Rechnungsfeldwebel Wanĕk war zu Hauptmann Sagner gegangen, und Telefonist Chodounsky, der irgendwo auf dem Bahnhof ein Fläschchen Wacholderschnaps aufgetrieben und ausgetrunken hatte, war jetzt sentimentaler Stimmung und sang:
Als ich noch in süßen Tagen irrte,
Schien der Himmel voller Treue,
Da kannte meine Brust noch Frieden,
Schien der Himmel voller Bläue.
|586| Doch als ich, wer kanns ertragen,
Mußte sehen, wie Verrat
Liebe tötet, Glauben raubte,
Mußt ich weinen, Kamerad.
Dann stand er auf, trat zu dem Tisch des Rechnungsfeldwebels Wanĕk und schrieb auf ein Stück Papier mit großen Buchstaben:
Ich verlange hiermit höflich, daß ich zum Bataillonshornisten ernannt und befördert werde.
Chodounsky, Telefonist.
Hauptmann Sagner hatte eine nicht allzulange Unterredung mit Rechnungsfeldwebel Wanĕk. Er machte ihn nur darauf aufmerksam, daß der Bataillonsgeschichtsschreiber Einjährigfreiwilliger Marek sich mit Schwejk in einem Waggon aufhalten werde.
»Ich kann Ihnen nur soviel sagen, daß dieser Marek, damit ichs so sag, verdächtig ist. Politisch verdächtig. Mein Gott! Das ist heutzutage weiter nichts Merkwürdiges. Von wem sagt man das nicht. Es gibt so verschiedene Vermutungen. Sie verstehen mich doch. Ich mach Sie also nur drauf aufmerksam, daß Sie ihn, wenn er vielleicht was sprechen sollte, no, Sie verstehn schon, gleich zum Schweigen bringen, damit ich nicht vielleicht noch irgendwelche Unannehmlichkeiten habe. Sagen Sie ihm einfach, er soll alle solchen Reden sein lassen, und damit wirds schon erledigt sein. Ich meine aber nicht, daß Sie am Ende gleich zu mir rennen solln. Erledigen Sies mit ihm freundschaftlich, so eine Rücksprache ist immer besser als eine dumme Angeberei. Kurz, ich wünsche nichts zu hören, weil – Sie verstehen. So eine Sache fällt hier immer aufs ganze Bataillon zurück.«
Als Wanĕk also zurückkehrte, nahm er Einjährigfreiwilligen Marek beiseite und sagte ihm: »Menschenskind, Sie sind verdächtig, aber das macht nichts. Nur reden Sie hier nicht viel überflüssig vor dem Telefonisten Chodounsky.«
|587| Kaum hatte er zu Ende gesprochen, als Chodounsky getaumelt kam, dem Rechnungsfeldwebel in die Arme fiel und mit trunkener Stimme etwas schluchzte, was vielleicht Gesang sein sollte.
»Als mich alles einst verlassen,
Lenkte ich auf dich die Blicke,
Und an deinem treuen Herzen
Weint ich über diesem Glücke.
Durch dein Antlitz ging ein Leuchten,
Wie ein Schimmer, kaum zu fassen,
Und dein rotes Mündchen seufzte:
Nimmer werd ich dich verlassen.
Wir wern uns nie verlassen«, brüllte Chodounsky, »was ich beim Telefon hör, sag ich euch gleich. Ich scheiß auf den Eid.«
In der Ecke
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