Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
bekreuzigte sich Baloun mit Entsetzen und fing an laut zu beten: »Mutter Gottes, weise mein flehentliches Gebet nicht zurück, sondern erhör mich gnädig, tröste mich gütig, hilf mir Ärmsten, der ich dich in diesem Tränental mit Glauben, fester Hoffnung und inbrünstiger Liebe anrufe. Oh, himmlische Königin, mach durch deine Fürbitte, daß ich bis zum Ende meiner Tage unter deinem Schutz und auch in der Gnade Gottes bleibe …«
Die gnadenreiche Jungfrau Maria setzte sich wirklich für ihn ein, denn der Einjährigfreiwillige zog nach einem Weilchen aus seinem magern Rucksack ein paar Büchsen Sardinen hervor und gab jedem eine.
Baloun öffnete unerschrocken den Koffer des Oberleutnants Lukasch und legte die vom Himmel gefallenen Sardinen hinein.
Als dann alle die Büchsen öffneten und sich die Sardinen schmecken ließen, geriet Baloun in Versuchung, öffnete den Koffer und die Sardinen und verschlang sie gierig.
Und da kehrte sich die gnadenreiche und süßeste Jungfrau Maria von ihm ab, denn gerade, wie er das letzte Öl aus der Büchse trank, erschien vor dem Waggon Bataillonsordonnanz |588| Matuschitz und rief hinauf: »Baloun, du sollst deinem Oberleutnant die Sardinen bringen.«
»Das wird Ohrfeigen setzen«, sagte Rechnungsfeldwebel Wanĕk.
»Mit leeren Händen geh lieber nicht«, riet Schwejk, »nimm dir wenigstens fünf leere Blechbüchsen mit.«
»Was haben Sie denn angestellt, daß Sie Gott so straft«, bemerkte der Einjährigfreiwillige, »in Ihrer Vergangenheit muß es irgendeine große Sünde geben. Haben Sie nicht vielleicht einen Kirchenraub begangen oder Ihrem Pfarrer einen Schinken im Schornstein aufgegessen? Haben Sie ihm nicht im Keller den Meßwein ausgetrunken? Sind Sie nicht vielleicht als Junge in den Pfarrgarten um Birnen geklettert?«
Baloun wandte sich mit verzweifeltem Gesicht ab, von Hoffnungslosigkeit erfüllt. Sein gehetzter Ausdruck sprach herzzerreißend: »Wann werden diese Leiden aufhören?«
»Das kommt davon«, sagte der Einjährigfreiwillige, der die Worte des unglücklichen Baloun vernommen hatte, »weil Sie den Zusammenhang mit Gott verloren haben. Sie beten nicht intensiv genug, daß Sie Gott so bald als möglich aus der Welt nimmt.«
Schwejk fügte hinzu: »Der Baloun kann sich fort nicht dazu entschließen, daß er sein militärisches Leben, seine militärische Gesinnung, seine Worte, Taten und seinen militärischen Tod der Güte des mütterlichen Herzens des allerhöchsten Gottes empfiehlt, wies mein Feldkurat zu sagen pflegte, wenn er schon anfing besoffen zu sein und aus Versehn auf der Gasse einen Soldaten anrempelte.«
Baloun stöhnte, er habe schon das Vertrauen zu Gott verloren, weil er bereits mehrmals gebetet habe, Gott möge ihm Kraft geben und seinen Magen irgendwie zusammenschrumpfen lassen.
»Das datiert nicht von diesem Krieg her«, jammerte er, »das is schon eine alte Krankheit, diese Gefräßigkeit. Wegen ihr is meine Frau mit den Kindern nach Klokota zur Kirchweih gegangen.«
»Den Ort kenn ich«, bemerkte Schwejk, »das is bei Tabor, und sie ham dort eine reiche Jungfrau Maria mit falschen Brillanten, |589| und ein Kirchendiener irgendwo aus der Slowakei hat sie bestehln wolln. Ein sehr frommer Mensch. Er is also hingekommen und hat gedacht, daß es ihm vielleicht besser gelingen wird, wenn er zuerst von allen Sünden gereinigt sein wird, und hat auch das gebeichtet, daß er morgen die Jungfrau Maria bestehln will. Er hat nicht mal muh gesagt, und bevor er die dreihundert Vaterunser gebetet hat, was ihm der Herr Pater gegeben hat, damit er ihm derweil nicht weglauft, ham ihn die Kirchendiener schon direkt auf die Gendarmeriestation geführt.«
Der Koch-Okkultist fing an, mit Telefonisten Chodounsky zu streiten, ob dies ein zum Himmel schreiender Verrat des Beichtgeheimnisses und ob das ganze überhaupt der Rede wert sei, da es sich doch um falsche Brillanten handelte. Zum Schluß bewies er jedoch Chodounsky, daß dies alles Karma, also ein vorbestimmtes Schicksal aus einer fernen, unbekannten Vergangenheit sei, in der dieser unglückliche Kirchendiener aus der Slowakei vielleicht ein Kopffüßler auf einem fremden Planeten war; so hatte das Schicksal vielleicht schon vor ebenso langer Zeit, als dieser Pater aus Klokota vielleicht noch eine aufgequollene Stachelmaus oder irgendein heute schon ausgestorbenes Säugetier war, vorbestimmt, daß er das Beichtgeheimnis verletzen müsse, obwohl man vom juridischen Standpunkt aus nach dem
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