Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
ich hab ihm gesagt, daß das Wasser is, so hab ich müssen vor ihm die ganze Flasche Kognak austrinken, damit ich ihm beweis, daß es Wasser is. Alles is in Ordnung, nichts hab ich verraten, wie Sies gewünscht ham, und vorsichtig war |607| ich auch, aber jetzt meld ich schon gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß ichs schon spür, mir schlafen schon die Füße ein. Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß ich allerdings gewöhnt bin zu saufen, weil mitn Herrn Feldkurat Katz …«
»Geh, Bestie!« rief der Oberleutnant, doch ohne jeden Groll. Dafür aber war ihm Leutnant Dub um fünfzig Prozent unsympathischer geworden als bisher.
Schwejk kletterte vorsichtig in seinen Waggon, und als er sich auf seinen Mantel und Rucksack legte, sagte er zum Rechnungsfeldwebel und den anderen: »Einmal hat sich euch ein Mensch besoffen und hat gebeten, daß man ihn nicht wecken soll …«
Nach diesen Worten wälzte er sich auf die Seite und fing an zu schnarchen.
Die Gase, die er beim Rülpsen von sich gab, erfüllten bald den ganzen Raum, so daß Koch-Okkultist Jurajda, der die Atmosphäre mit den Nüstern einzog, erklärte: »Sakra, hier riecht Kognak.«
Vor dem zusammenlegbaren Tischchen saß der Einjährigfreiwillige Marek, der es schließlich nach all den Leiden zum Bataillonsgeschichtsschreiber gebracht hatte.
Jetzt stellte er Vorrat an Heldentaten des Bataillons zusammen, und man konnte sehen, daß ihm dieser Blick in die Zukunft große Freude machte.
Rechnungsfeldwebel Wanĕk beobachtete mit Interesse, wie der Einjährigfreiwillige fleißig schrieb und dabei übers ganze Gesicht lachte. Deshalb stand Wanĕk auf und neigte sich über den Einjährigfreiwilligen, der ihm das Ganze zu erklären begann: »Sie, es ist eine schreckliche Hetz, die Geschichte des Bataillons auf Vorrat zu schreiben. Hauptsache ist, daß man systematisch vorgeht. In allem muß System herrschen.«
»Ein systematisches System?« bemerkte Rechnungsfeldwebel Wanĕk mit einem mehr oder minder verächtlichen Lächeln.
»Ja«, sagte der Einjährigfreiwillige nachlässig, »ein systematisiertes, systematisches System bei der Aufzeichnung der Bataillonsgeschichte. Gleich zu Beginn können wir nicht mit einem großen Sieg herausrücken. Das muß alles langsam gehn, |608| nach einem bestimmten Plan. Unser Bataillon kann den Weltkrieg nicht auf einmal gewinnen. Nihil nisi bene. 4 Die Hauptsache für einen gründlichen Historiker, wie ich es bin, ist, zuerst einen Plan für unsere Siege zusammenzustellen. Zum Beispiel schildere ich hier, wie unser Bataillon – das wird beiläufig in zwei Monaten geschehen – fast die russische Grenze überschreitet, die sehr stark, sagen wir mit Donkosaken, besetzt ist, während einige feindliche Divisionen in den Rücken unserer Stellungen gelangen. Auf den ersten Blick scheint es, daß unser Bataillon verloren ist und daß wir zu Nudeln zerhackt werden müssen; da gibt Hauptmann Sagner folgenden Bataillonsbefehl aus: ›Gott will nicht, daß wir hier zugrunde gehn, fliehen wir!‹ Unser Bataillon ergreift also die Flucht, aber die feindliche Division, die bereits in unserem Rücken ist, sieht, daß wir ihr eigentlich nachlaufen, beginnt zu fliehen und fällt ohne Schuß unserer Armeereserve in die Hände. Damit fängt also eigentlich die Geschichte unseres Bataillons an. Aus einer unbedeutenden Begebenheit, um prophetisch zu sprechen, Herr Wanĕk, entwickeln sich weittragende Dinge. Unser Bataillon schreitet von Sieg zu Sieg. Interessant wird es sein, wie unser Bataillon den schlafenden Feind überfallen wird, wozu man freilich den Stil des ›illustrierten Kriegsberichterstatters‹ braucht, der während des Russisch-Japanischen Kriegs bei Vilímek 5 erschienen ist. Unser Bataillon überfällt das Lager des schlafenden Feindes. Jeder von unsern Soldaten sucht sich einen Feind aus und stößt ihm mit aller Kraft das Bajonett in die Brust. Das ausgezeichnet geschliffene Bajonett fährt in den Mann hinein wie in Butter, und nur hier und da kracht eine Rippe; die schlafenden Feinde zucken mit dem ganzen Körper, wälzen für einen Augenblick die erschrockenen, aber nichts mehr sehenden Augen heraus, röcheln und strecken alle viere von sich. Auf den Lippen der schlafenden Feinde zeigt sich blutiger Speichel, damit ist die Sache erledigt, und der Sieg ist auf Seite unseres Bataillons. Oder noch besser wirds etwa so ungefähr in drei Monaten sein, da wird |609| unser Bataillon den russischen Zaren gefangennehmen. Davon
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