Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
sprechen wir aber erst später, Herr Wanĕk, inzwischen muß ich mir kleine Episoden auf Vorrat zurechtlegen, die das beispiellose Heldentum beweisen. Ich werde mir ganz neue Kriegsausdrücke ausdenken müssen. Einen hab ich mir schon ausgedacht, ich werde von der opferfreudigen Entschlossenheit unserer mit Granatsplittern gespickten Mannschaft schreiben. Infolge der Explosion einer feindlichen Mine kommt einer von unseren Zugführern, sagen wir von der zwölften oder dreizehnten Kompanie, um den Kopf.
Apropos«, sagte der Einjährigfreiwillige und schlug sich an den Kopf, »fast hätte ich vergessen, Herr Rechnungsfeldwebel, oder bürgerlich gesagt, Herr Wanĕk, Sie müssen mir ein Verzeichnis aller Chargen verschaffen. Nennen Sie mir einen Feldwebel von der zwölften Kompanie – Houska? Gut, also Houska kommt durch diese Mine um den Kopf, der Kopf fliegt ihm weg, der Körper macht aber noch ein paar Schritte, zielt und schießt noch einen feindlichen Aeroplan herab. Das versteht sich ganz von selbst, daß der Widerhall dieser Siege in der Zukunft in Schönbrunn im Familienkreis gefeiert werden muß. Österreich hat sehr viele Bataillone, aber das einzige Bataillon, das sich auszeichnet, ist unseres, so daß ihm zulieb eine kleine intime Familienfeier im kaiserlichen Hause stattfindet. Wie aus meinen Notizen hervorgeht, stell ichs mir so vor, daß die Familie der Erzherzogin Marie Valerie deshalb aus Wallsee nach Schönbrunn übersiedelt. Die Feier ist ganz intim und findet im Saal neben dem Schlafgemach des Monarchen statt, das mit weißen Kerzen erleuchtet ist, denn bekanntlich liebt man bei Hof elektrische Glühbirnen wegen Kurzschluß nicht, gegen den der greise Monarch voreingenommen ist. Um sechs Uhr abend beginnt die Feier zum Lob und Preis unseres Bataillons. In diesem Augenblick werden die Enkel Seiner Majestät in den Saal geführt, der eigentlich zu den Gemächern der verewigten Kaiserin gehört. Jetzt ist die Frage, wer außer der kaiserlichen Familie zugegen sein wird. Der Generaladjutant des Monarchen, Graf Paar, muß und wird zugegen sein. Weil bei solchen familiären und intimen Festen zuweilen jemandem |610| übel zu werden pflegt, womit ich allerdings nicht sagen will, daß Graf Paar kotzen wird, ist die Anwesenheit des Leibarztes, des Hofrats Doktor Kerzl, erforderlich. Von wegen der Ordnung, damit sich die Hoflakaien nicht gewisse Vertraulichkeiten gegen die beim Festmahl anwesenden Hofdamen erlauben, erscheint der Oberhofmeister Baron Lederer, Kammergraf Bellegarde und die erste Hofdame, Gräfin Bombelies, die unter den Hofdamen dieselbe Rolle spielt wie die Madame im Prager Bordell Schuha. Nachdem sich die vornehme Gesellschaft versammelt hat, wird der Kaiser davon verständigt; er erscheint hierauf im Gefolge seiner Enkel, setzt sich an den Tisch und spricht einen Toast zu Ehren unseres Marschbataillons. Nach ihm ergreift Erzherzogin Marie Valerie das Wort und gedenkt besonders rühmend Ihrer, Herr Feldwebel. Allerdings erduldet unser Bataillon nach meinen Notizen schwere und fühlbare Verluste, denn ein Bataillon ohne Tote ist kein Bataillon. Man wird einen Artikel über unsere Toten schreiben müssen. Die Geschichte des Bataillons darf sich nicht nur aus trockenen Tatsachen über die Siege zusammensetzen, von denen ich schon im vorhinein etwa zweiundvierzig vermerkt habe. Sie zum Beispiel, Herr Wanĕk, fallen an einem kleinen Flüßchen, und hier der Baloun, der uns so komisch anschaut, der stirbt eines ganz andern Todes als durch eine Kugel, ein Schrapnell oder eine Granate. Er wird mit einem Lasso erdrosselt, das gerade in dem Augenblick, wie er das Mittagmahl seines Oberleutnants Lukasch verzehrt, aus einem feindlichen Aeroplan geschleudert wird.«
Baloun trat zurück, winkte verzweifelt mit den Händen und bemerkte niedergeschlagen: »Wenn ich für meine Veranlagung nicht kann! Wie ich noch aktiv gedient hab, hab ich mich vielleicht dreimal in der Küche um Minasch gezeigt, solang man mich nicht eingesperrt hat. Einmal hab ich dreimal Rippenfleisch zum Mittagmahl gehabt, wofür ich einen Monat gesessen bin. Der Wille des Herrn geschehe!«
»Fürchten Sie sich nicht, Baloun«, tröstete ihn der Einjährigfreiwillige, »in der Geschichte des Bataillons wird nicht von Ihnen gesagt werden, daß Sie am Weg von der Offiziersmenage |611| in den Schützengraben beim Fressen umgekommen sind. Sie werden gemeinsam mit allen Männern unseres Bataillons genannt werden, die für den Ruhm unseres
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