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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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bekundete, daß die Besitzer wieder zurückgekehrt waren.
    Dann, als man gegen Mittag in der Station Humenna eintraf, wo der Bahnhof ebenfalls Spuren der Kämpfe aufwies, wurden Vorbereitungen zum Mittagessen getroffen, und die Mannschaft des Transports konnte inzwischen in das öffentliche Geheimnis Einblick nehmen, wie die Behörden nach Abzug der Russen mit der Ortsbevölkerung verfahren, die der Sprache und Religion nach mit den russischen Soldaten verwandt war.
    Auf dem Perron, von ungarischen Gendarmen umgeben, stand eine Gruppe verhafteter ungarischer Russen. Es waren einige Popen, Lehrer und Bauern aus der ganzen Umgebung. Alle hatten die Hände mit Stricken auf dem Rücken gefesselt und waren paarweise zusammengebunden. Größtenteils hatten sie zerschlagene Nasen und Beulen auf dem Kopf, denn sie waren gleich nach der Verhaftung von den Gendarmen verprügelt worden.
    Ein Stückchen weiter trieb ein magyarischer Gendarm mit einem Popen ein liebliches Spiel. Er band ihm einen Strick, den er in der Hand hielt, um den linken Fuß und zwang ihn mit dem Kolben, Csárdás zu tanzen, wobei er an dem Strick zerrte, |601| so daß der Pope auf die Nase fiel und, da er die Hände nach rückwärts gebunden hatte, nicht aufstehen konnte; er machte verzweifelte Versuche, sich auf den Rücken umzudrehen, um sich so vom Boden erheben zu können. Der Gendarm lachte darüber so aufrichtig, daß ihm Tränen aus den Augen flossen, und als der Pope sich erhob, riß er am Strick, und der Pope lag wieder auf der Nase.
    Endlich machte der Gendarmerieoffizier der Szene ein Ende; er ließ die Verhafteten vor Eintreffen des Zuges in den leeren Schuppen hinter dem Bahnhof führen und sie dort prügeln und schlagen, damit es niemand sehe. Von dieser Episode redete man im Stabswaggon, und alles in allem kann gesagt werden, daß die Mehrzahl sie verurteilte.
    Fähnrich Kraus meinte, wenn sie schon Hochverräter sind, so solle man sie auf der Stelle und ohne jede Quälerei hängen; hingegen stimmte Leutnant Dub mit dem ganzen Auftritt vollständig überein; er führte den Vorfall sofort auf das Attentat in Sarajevo zurück und erklärte ihn in der Weise, als ob die magyarischen Gendarmen in der Station Humenna den Tod des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin rächen wollten. Um seinen Worten Gewicht zu verleihen, sagte er, daß in einer Zeitschrift (Schimatscheks Vierblatt), deren Abonnent er war, schon vor dem Kriege in der Julinummer von dem Attentat, geschrieben worden sei, daß dieses beispiellose Verbrechen in den Herzen der Menschen lange Zeit hindurch eine unheilbare Wunde hinterlassen werde, die um so schmerzlicher sei, weil durch das Verbrechen nicht nur das Leben des Repräsentanten der Exekutivgewalt des Staates, sondern auch das Leben seiner treuen und geliebten Lebensgefährtin vernichtet worden sei, und daß die Vernichtung dieser zweier Leben ein glückliches, mustergültiges Familienleben zerstört und die von allen geliebten Kinder zu Waisen gemacht habe.
    Oberleutnant Lukasch brummte nur vor sich hin, daß die Gendarmen hier in Humenna wahrscheinlich Abonnenten von Schimatscheks Vierblatt mit seinem ergreifenden Artikel seien. Ihm war überhaupt auf einmal alles zuwider, und er fühlte nur das Bedürfnis, sich zu betrinken, um seinen Weltschmerz |602| zu vertreiben. Er verließ also den Waggon und suchte Schwejk.
    »Hören Sie, Schwejk«, sagte er ihm, »wissen Sie nicht von einer Flasche Kognak? Mir ist nicht ganz gut.«
    »Das macht alles die Luftveränderung, melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant. Kann sein, daß Ihnen, bis wir am Kriegsschauplatz sein wern, noch schlechter sein wird. Je mehr man sich von seiner ursprünglichen militärischen Basis entfernt, desto übler is einem. Ein gewisser Josef Kalenda, Gärtner in Straschnitz, hat sich auch mal von zu Haus entfernt, er is aus Straschnitz in die Weinberge gegangen und hat sich im Gasthaus ›Zur Haltestelle‹ aufgehalten, aber da war ihm noch nichts, aber wie er in die Weinberge in die Kronengasse zum Wasserturm gekommen is, is er in der Kronengasse hinter der heiligen Ludmillakirche von einem Wirtshaus ins andere gegangen, und da war er schon wie erschlagen. Er hat sich aber nicht davon abschrecken lassen, weil er am Abend vorher in Straschnitz im Wirtshaus ›Zur Remise‹ mit einem Kondukteur von der Elektrischen gewettet hat, daß er zu Fuß in drei Wochen eine Reise um die Welt machen wird. Er hat also angefangen, sich noch weiter und weiter von

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