Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Jarosch Pumpen gebaut, und der hat dem Uhrmacher Lejhanz aus Pardubitz ähnlich geschaut, wie wenn er ihm ausn Gesicht geschnitten wär, und der hat wieder dem Jitschiner Piskor so ähnlich geschaut und alle drei zusamm einem unbekannten Selbstmörder, was man aufgehängt und vollkommen verwest in einem Teich bei Neuhaus gefunden hat, grad unter der Bahn, wo er sich wahrscheinlich untern Zug geworfen hat.« – Ein neuerliches Gähnen wurde laut und dann noch die Ergänzung: »Dann hat man alle übrigen zu einer großen Geldstrafe verurteilt, und morgen machen Sie mir geseihte Nudeln, Frau Müller.« – Schwejk wälzte sich auf die andere Seite und schnarchte weiter, während sich zwischen dem Koch-Okkultisten Jurajda und dem Einjährigfreiwilligen eine Debatte über die Dinge der Zukunft entspann.
Okkultist Jurajda meinte, daß es vielleicht auf den ersten Blick ein Unsinn zu sein scheine, wenn ein Mensch hetzhalber über etwas schreibe, was in der Zukunft geschehen werde; dennoch sei es sicher, daß so eine Hetz sehr oft prophetische Tatsachen enthalte, wenn der seelische Blick des Menschen unter dem Einfluß geheimnisvoller Mächte den Schleier der unbekannten Zukunft durchdringt. Von diesem Augenblick an war Jurajda in seiner Rede lauter Schleier. In jedem zweiten Satz offenbarte sich irgendein Schleier der Zukunft, bis er schließlich zur Regeneration überging, das heißt auf die Erneuerung des menschlichen Körpers, worauf er von der Fähigkeit der Infusorien, Körperteile zu erneuern, sprach und mit der Erklärung schloß, daß jeder Mensch einer Eidechse den Schwanz abreißen könne und daß ihr dieser wieder wachse.
Telefonist Chodounsky bemerkte dazu, daß die Menschen sich alle Finger ablecken könnten, wenn sie dasselbe brächten wie die Eidechse mit ihrem Schwanz. Zum Beispiel im Krieg, wenn jemandem der Kopf oder andere Körperteile abgerissen |614| werden, wär so was der Militärverwaltung sehr erwünscht, weils keine Invaliden geben würde. So ein österreichischer Soldat, dem fortwährend Beine, Arme, Köpfe nachwachsen würden, wäre bestimmt wertvoller als eine ganze Brigade.
Der Einjährigfreiwillige erklärte, daß es heute, dank der entwickelten Kriegstechnik, möglich sei, den Feind eventuell auf drei diagonale Teile zu halbieren. Es existiere ein Gesetz über die Erneuerung der Körper der Geißeltierchen aus dem Geschlecht der Infusorien; jeder halbierte Teil erneuert sich, bekommt neue Organe und wächst selbständig wie ein ganzes Geißeltierchen. Im analogen Fall würde sich das österreichische Heer nach jeder Schlacht, an der es teilgenommen hat, verdreifachen, verzehnfachen, aus jedem Fuß würde sich ein neuer, frischer Infanterist entwickeln.
»Der Schwejk sollte Sie hören«, bemerkte Rechnungsfeldwebel Wanĕk, »der möcht uns gewiß ein Beispiel anführen.«
Schwejk reagierte auf seinen Namen, murmelte: »Hier« und schnarchte weiter, nachdem er diesen Ausdruck militärischer Disziplin von sich gegeben hatte.
In der halbgeöffneten Waggontür zeigte sich der Kopf Leutnant Dubs.
»Wo ist der Schwejk?« fragte er.
»Er schläft, melde gehorsamst, Herr Leutnant«, antwortete der Einjährigfreiwillige.
»Wenn ich nach ihm frage, Sie Einjährigfreiwilliger, haben Sie sofort aufzuspringen und ihn zu rufen.«
»Das geht nicht, Herr Leutnant, er schläft.«
»Also wecken Sie ihn! Ich wunder mich sehr, daß Ihnen das nicht gleich einfällt, Sie Einjährigfreiwilliger! Sie sollten Ihren Vorgesetzten mehr Entgegenkommen zeigen! Sie kennen mich noch nicht … Aber bis Sie mich kennenlernen werden …«
Der Einjährigfreiwillige begann Schwejk zu wecken.
»Schwejk, es brennt, stehn Sie auf!«
»Wie damals die Odkolek-Mühlen gebrannt ham«, brummte Schwejk, während er sich wieder auf die andere Seite wälzte, »is die Feuerwehr bis aus Wysotschan gekommen …«
|615| »Bitte, Sie sehn«, sagte der Einjährigfreiwillige freundlich zu Leutnant Dub, »daß ich ihn wecke, aber daß es nicht geht.«
Leutnant Dub ward ärgerlich. »Wie heißen Sie, Einjährigfreiwilliger? – Marek? – Aha, Sie sind der Einjährigfreiwillige Marek, der fortwährend im Arrest gesessen ist, nicht wahr?«
»Jawohl, Herr Leutnant. Ich habe den Einjährigenkurs sozusagen im Kriminal durchgemacht und bin redegradiert worden, das heißt, nach meiner Entlassung vom Divisionsgericht, wo meine Unschuld an den Tag kam, zum Bataillonsgeschichtsschreiber mit Belassung des Ranges eines Einjährigfreiwilligen
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