Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Erörterungen mit einem Gesicht fortsetzte, das so dumm war wie jenes, das man auf einer Photographie sehen konnte, die in dieser Zeit in der »Chronik des Weltkriegs« veröffentlicht wurde: |191| »Der österreichische Thronfolger im Gespräch mit zwei Fliegern, die einen russischen Aeroplan abgeschossen haben.«
Schwejk setzte sich auf eine Bank beim Tor und legte dar, daß an der Front in den Karpaten die Angriffe des Heeres gescheitert seien, daß jedoch auf der anderen Seite der Kommandant von Przemyśl, General Kusmanek, nach Kiew gekommen sei, daß wir in Serbien elf Stützpunkte aufgegeben hätten und daß die Serben es nicht lange aushalten würden, unseren Soldaten nachzulaufen.
Dann verstrickte er sich in eine Kritik der einzelnen bekannten Schlachten und machte die großartige Entdeckung, daß sich eine von allen Seiten umschlossene Abteilung ergeben müsse.
Als er genug gesprochen hatte, schien es ihm angezeigt, herauszugehen und der verzweifelten Dame zu sagen, daß er gleich kommen werde, sie solle warten. Dann ging er hinauf in die Kanzlei, wo er den Oberleutnant Lukasch fand, der gerade einem Leutnant eine Aufgabe aus der Schützengrabentechnik löste und ihm auseinandersetzte, er könne nicht zeichnen und habe keine Ahnung von Geometrie.
»Sehn Sie, so soll man das zeichnen. Wenn wir zu einer gegebenen geraden Linie eine senkrechte Linie skizzieren sollen, müssen wir sie so fällen, daß sie mit ihr einen rechten Winkel bildet. Verstehn Sie? So werden Sie die Schützengräben richtig und nicht zum Feind führen. Sie bleiben sechshundert Meter von ihm entfernt. Aber wie Sie es gezeichnet haben, stoßen Sie unsere Position in die feindliche Linie und stehen mit Ihrem Schützengraben senkrecht über dem Feind, und Sie brauchen einen großen Winkel. Das ist doch ganz einfach, nicht wahr?«
Und der Leutnant in Reserve, in Zivil Kassierer einer Bank, stand ganz verzweifelt über diesen Plänen, verstand nicht das geringste und atmete erleichtert auf, als Schwejk an den Oberleutnant herantrat.
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, eine Dame schickt Ihnen diesen Brief und wartet auf Antwort.« Dabei zwinkerte er bedeutungsvoll und vertraulich.
|192| Was er da las, machte auf den Oberleutnant keinen günstigen Eindruck.
»Lieber Heinrich! Mein Mann verfolgt mich. Ich muß unbedingt bei Dir ein paar Tage gastieren. Dein Bursch ist ein großes Rindvieh. Ich bin unglücklich. Deine Kati!«
Oberleutnant Lukasch seufzte, führte Schwejk in die anstoßende leere Kanzlei, schloß die Tür und fing an, zwischen den Tischen auf und ab zu gehen. Als er schließlich vor Schwejk stehenblieb, sagte er: »Die Dame schreibt, daß Sie ein Rindvieh sind. Was haben Sie ihr denn gemacht?«
»Ich hab ihr nichts gemacht, melde gehorsamst. Herr Oberlajtnant, ich hab mich sehr anständig benommen, aber sie hat sich gleich in der Wohnung niederlassen wolln. Und weil ich von Ihnen keinen Befehl bekommen hab, so hab ich sie nicht in der Wohnung gelassen. Noch zu allem is sie mit zwei Koffern gekommen wie nach Haus.«
Der Oberleutnant seufzte nochmals laut, was Schwejk ihm nachmachte.
»Was heißt das?« schrie der Oberleutnant drohend.
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, es is ein schwerer Fall. In der Vojtĕchgasse is vor zwei Jahren zu einem Tapezierer ein Fräulein gezogen, und er hat sie nicht aus der Wohnung loswern können und hat sie und sich mit Leuchtgas vergiften müssen, und aus wars mit der Hetz. Mit den Weibern hats halt seine liebe Not. Ich seh in sie hinein.«
»Ein schwerer Fall«, wiederholte der Oberleutnant und hatte niemals so die nackte Wahrheit gesprochen. Der liebe Heinrich war bestimmt in einer peinlichen Situation. Eine vom Gatten verfolgte Gattin kommt zu ihm für einige Tage zu Besuch, gerade als Frau Micko aus Wittingau kommen soll, um drei Tage lang zu wiederholen, was sie ihm regelmäßig jedes Vierteljahr gewährt, wenn sie in Prag Einkäufe besorgt. Außerdem soll übermorgen ein Fräulein kommen. Nachdem sie eine ganze Woche geschwankt hatte, hatte sie ihm bestimmt versprochen, sich verführen zu lassen, denn sie soll erst in einem Monat einen Ingenieur heiraten.
Der Oberleutnant saß jetzt mit gesenktem Kopf auf dem |193| Tisch, schwieg und dachte nach, aber er kam vorläufig auf keinen Ausweg. Schließlich setzte er sich an den Tisch, nahm einen Briefumschlag und schrieb auf ein Amtsformular:
»Teure Kati! Im Dienst bis neun Uhr abend. Komme um zehn. Bitte, fühl Dich bei mir
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