Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
deretwegen er gekommen war.
»Die Türken halten sich gut«, erwiderte der Oberleutnant und führte ihn abermals zum Tisch, »die Vorsitzenden des türkischen Parlaments, Hali Bey und Ali Bey, sind in Wien eingetroffen. Zum Oberkommandanten der türkischen Dardanellenarmee ist Feldmarschall Liman von Sanders ernannt worden. Goltz Pascha ist aus Konstantinopel nach Berlin gekommen, und Enwer Pascha, Vizeadmiral Usedon Pascha und General Dschewad Pascha sind von unserem Kaiser ausgezeichnet worden. Verhältnismäßig viel Auszeichnungen für eine so kurze Zeit.«
Sie saßen einander alle eine Zeitlang stumm gegenüber, bis der Oberleutnant es für geeignet hielt, die peinliche Situation mit den Worten zu unterbrechen: »Wann sind Sie angekommen, Herr Wendler?«
»Heute früh.«
|198| »Da bin ich aber sehr froh, daß Sie mich gefunden und zu Hause angetroffen haben, weil ich Nachmittag immer in die Kaserne geh und Nachtdienst habe. Da die Wohnung eigentlich den ganzen Tag leer ist, hab ich der gnädigen Frau Gastfreundschaft anbieten können. Sie ist hier während ihres Aufenthaltes in Prag von niemandem belästigt worden. Aus alter Bekanntschaft …«
Der Hopfenhändler hustete: »Kati ist gewiß eine merkwürdige Frau, Herr Oberleutnant, nehmen Sie meinen allerherzlichsten Dank entgegen für alles, was Sie für sie getan haben. Von nichts und wieder nichts fällt es ihr ein, nach Prag zu fahren, sie muß sich angeblich die Nerven kurieren; ich bin auf Reisen, komm nach Haus, und das Haus ist leer. Kati ist weg.«
Bemüht, ein möglichst aufrichtiges Gesicht zu machen, drohte er ihr mit dem Finger und fragte sie nur mit einem gezwungenen Lächeln: »Du hast wahrscheinlich geglaubt, wenn ich auf Reisen bin, kannst du auch verreisen? Du hast freilich nicht daran gedacht …«
Als Oberleutnant Lukasch sah, daß das Gespräch eine unangenehme Wendung nahm, führte er den intelligenten Hopfenhändler wieder zu der Karte vom Kriegsschauplatz, wies auf die unterstrichenen Orte und sagte: »Ich habe vergessen, Sie auf einen höchst interessanten Umstand aufmerksam zu machen. Betrachten Sie diesen großen, nach Südwesten gewandten Bogen, wo diese Berggruppe einen großen Brückenkopf bildet. Hierher richtet sich die Offensive der Verbündeten. Durch Absperrung der Bahn, die den Brückenkopf mit der wichtigsten Verteidigungslinie des Feindes verbindet, muß die Verbindung zwischen dem rechten Flügel und der nördlichen Armee an der Weichsel unterbrochen werden. Ist Ihnen das klar?«
Der Hopfenhändler erwiderte, ihm sei alles vollkommen klar, und da er in seinem Taktgefühl befürchtete, das, was er sage, könne als Anzüglichkeit aufgefaßt werden, erklärte er, auf seinen Platz zurückkehrend: »Unser Hopfen hat durch den Krieg sein Absatzgebiet im Ausland verloren. Frankreich, England, Rußland und der Balkan sind jetzt für den Hopfen |199| verloren. Wir senden noch Hopfen nach Italien, aber ich fürchte, daß sich Italien auch hineinmengen wird. Aber dann, bis wirs gewinnen, werden wir uns die Preise für die Waren diktieren.«
»Italien wird vollständige Neutralität bewahren«, tröstete ihn der Oberleutnant, »das ist …«
»Also warum gibt es nicht zu, daß es durch den Dreibund an Österreich-Ungarn und Deutschland gebunden ist?« brauste der Hopfenhändler plötzlich auf, dem auf einmal alles zu Kopfe stieg: Hopfen, Frau und Krieg. »Ich hab gewartet, daß Italien gegen Frankreich und Serbien losgehn wird. Dann wär der Krieg schon beendet. Der Hopfen verfault mir in den Magazinen, die heimischen Abschlüsse sind schwach, der Export ist gleich Null, und Italien bewahrt Neutralität. Warum hat Italien noch im Jahre 1912 den Dreibund mit uns erneuert? Wo ist der italienische Außenminister, Marquis di San Giuliano? Was macht der Herr? Schläft er oder was? Wissen Sie, was für einen Jahresumsatz ich bis zum Krieg gehabt hab und welchen ich heut hab?
Denken Sie nicht, daß ich die Ereignisse nicht verfolge«, fuhr er fort und blickte den Oberleutnant wütend an, der ruhig Rauchringe aus dem Munde blies, die ineinanderflossen, was Frau Kati mit großem Interesse verfolgte. »Warum sind die Deutschen an die Grenzen zurückgegangen, wenn sie schon bei Paris waren? Warum führt man zwischen Maas und Mosel heftige Artilleriekämpfe? Wissen Sie, daß in Combres und Woëvre bei Marche drei Bräuhäuser verbrannt sind, wohin wir jährlich über fünfhundert Säcke Hopfen geliefert haben? Und in den Vogesen ist
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