Die Abenteuer des Röde Orm
bewußtlosen Heiden dem Teufel viel Verdruß schafft, doch sei dieser Verdruß nur von kurzer Dauer. Denn sobald jene wieder zu sich gekommen seien und vom Geschehenen erfahren hätten, könne ihnen niemand – trotz aller dem Sakrament innewohnenden Kraft – auch nur einen Deut von Gottesfurcht anmerken. Statt dessen öffnen sie gleich wieder ihre Herzen dem Teufel, und das weiter denn je, und rasen ärger denn zuvor gegen Christum und seine Diener. Solches Taufen bringt also nicht den geringsten Segen oder Gewinn, und daher sagen die Heiligen, die ich genannt habe, und viele andere mit ihnen, daß Taufen nicht mit solchen Hilfsmitteln vorgenommen werden dürfen.«
»Da du das vom Bischof Poppo hast, mag es so sein«, antwortete Orm traurig, »denn der versteht sich ja am besten auf derlei Dinge; aber daß man es jetzt bei uns so halten soll, ist wirklich sehr schade.«
»Es ist aber Gottes Wille«, sagte Vater Willibald und nickte nachdenklich. »Wir hätten es mit den Heiden allzu leicht, wenn wir sie mit Bier erkaufen dürften.
Dazu braucht es mehr als das: nämlich Überredung und gute Taten und große Geduld; und letzteres ist das allerschwerste.«
»Es ist mein Wunsch, Gott in allem, so gut ich nur kann, zu dienen«, sagte Orm, »aber wie wir seine Sache unter diesen meinen Nachbarn fördern könnten, geht über meinen Verstand.«
Es wurde nicht noch mehr darüber geredet, und das Gelage nahm unter großer Fröhlichkeit seinen Fortgang. Später am Tage – als die meisten jedoch noch sicher auf den Beinen waren – gingen die verheirateten Frauen zu Ylvas Sohn in die Kammer, um nach altem Brauch Geschenke und gute Wünsche zur Namensgebung zu überbringen; und die Männer meinten, es sei für sie an der Zeit, ein wenig Luft zu schnappen; sie nahmen daher auf dem Grasplatz allerhand Spiele und Kraftproben vor. Unter viel munterem Geschrei wurde gehäkelt und gerungen, wobei man viele ausgiebige Purzelbäume zu sehen bekam, und einige der Kühnsten wagten sich auch an das rauhe Zweimännerspiel, das »Am-Knotenhochheben« hieß, doch ohne daß jemand sich dabei überriß oder daß irgendeinem der Hals gebrochen wurde. Und während alles dieses vor sich ging, hielten vier seltsame Bettler ihren Einzug auf Gröning.
Von vier seltsamen Bettlern und wie die Meister von Erin dem Vater Willibald zu Hilfe kamen
Als sie den Hof erreichten und um Speise und Trank baten, sahen sie so aus wie gewöhnliche Bettler, die mit Sack und Wanderstab zu Fuß umherziehen. Ylva saß auf der Bank vor dem Wohnhaus in wichtigem Gespräch mit den Müttern von Gisle und Rannvi; denn diese beiden waren am Morgen hochzufrieden zu ihr gekommen und hatten ihr gesagt, sie fänden so großen Gefallen aneinander, daß sie um ihre Fürsprache bei den Eltern bäten, denn sie wollten so bald als irgend möglich heiraten. Ylva hatte gern ihren Beistand versprochen. Als ihr nun gemeldet wurde, es seien Bettler am Tor, ließ sie Orm rufen; denn ohne seine Erlaubnis durfte kein Fremder eingelassen werden.
Orm besah sich die Wanderer, und sie antworteten unbedenklich auf seine Fragen; trotzdem schienen sie ihm nicht gewöhnliche Bettler zu sein. Ihr Anführer war ein hochgewachsener, recht umfangreicher Mann mit breiten Schultern und graugesprenkeltem Bart; seine Augen lugten scharf unter dem Hutrand hervor. Beim Gehen zog er ein Bein nach, denn das Knie war offenbar steif. Seine Stimme klang wie dunkles Grollen, und man hörte ihm an, daß er aus Svealand war. Er berichtete, daß sie alle von Själland kämen und über die nördliche Grenze wollten; ein Fischer habe sie über den Sund gesetzt, und von Landöre aus hätten sie sich weitergebettelt.
»Aber heute haben wir noch nichts zu essen bekommen«, sagte er, »denn von einem Hof zum andern ist es hier weit, und wo wir zuletzt einkehrten, hat man uns nichts in die Säcke gesteckt.«
»Und doch: Bettler pflegen magerer zu sein als du«, sagte Orm.
»Die Pfannkuchen der Dänen und Schonländer sind sehr nahrhaft«, sagte der Mann seufzend, »aber es heißt, daß die magerer sein werden, die wir fortab zu erwarten haben. Daher werde ja wohl auch ich mager sein, noch ehe ich die Mälargegend erreiche.«
Neben ihm stand ein jüngerer Mann von bleicher Hautfarbe; Kinn und Wangen schwärzte ihm ein dichter, aber sehr kurzer Bart. Orm betrachtete ihn genau, schließlich sagte er:
»Man könnte meinen, daß du zum Priester geschoren worden bist.« Der Mann lächelte traurig.
»Der Bart wurde
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