Die Abenteuer des Röde Orm
ihnen, daß sie nun frei seien und gehen dürften, wohin sie wollten.
»Aber bevor ihr geht«, sagte er, »sollt ihr sehen, wie ein Christ handelt. Denn es ist uns geboten, daß wir, die wir Christo untenan sind, auch unseren Feinden eine freundliche Gesinnung zeigen und sogar denen, die uns nach dem Leben getrachtet haben. Und in diesem Stück will ich nicht schlechter sein als andere.«
Damit befahl er, ihnen vom Festessen gute Wegkost mitzugeben, und dazu schenkte er jedem von ihnen eins der Pferde, die ihre Waren hier heraufgebracht hatten.
»Und nun mögt ihr in Frieden ziehen«, sagte er, »und nicht vergessen, daß ihr unter Christi Gebot steht.«
Östen schaute ihn an, und zum erstenmal an diesem Tag kam ein Wort über seine Lippen.
»Ich bin nicht vergeßlich«, sagte er langsam, und seine Stimme klang, als sei er sehr müde.
Er stieg zu Pferde, und ohne daß noch mehr gesagt wurde, ritt er mit seinen Begleitern durch das Tor und verschwand im Walde.
Nun ließ man sich wieder auf den Bänken nieder und das Fest wurde froh und unter großem Lärm fortgesetzt. Als Vater Willibald noch mehr von der christlichen Lehre erzählen wollte, fiel es ihm nicht leicht, die Anwesenden zum Zuhören zu bringen. Es sei ihnen lieber, sagten sie, nun von Orms Abenteuern in fremden Ländern und von seiner Fehde mit König Sven zu hören, und Orm tat ihnen diesen Gefallen. König Sven war in diesen Gegenden wenig beliebt, denn hier in den Grenzlanden stand es so, daß man gern die toten Könige lobte, aber wenig Gutes über die zu sagen hatte, die noch am Leben waren. Als Orm nun erzählte, wie einmal Vater Willibald dem König Sven einen Stein mitten ins Gesicht geschleudert hatte, so daß dem einige Zähne aus dem blutenden Munde fielen, da brach großer Jubel aus, und man füllte eilig die Schoppen, um dem kleinen Priester zuzutrinken. Viele wiegten sich auf den Bänken hin und her, während ihnen die Tränen herabströmten und das Maul offenstand; andere konnten vor Lachen das Bier nicht schlucken und prusteten es wieder aus; und man schrie überlaut, daß man noch nie von einem so unscheinbaren kleinen Burschen eine solche Tat habe berichten können.
»Gottes Geist war über mich gekommen«, sagte Vater Willibald. »König Sven ist ein Feind Gottes, und daher konnte meine schwache Hand ihn treffen.«
»Man hat uns erzählt«, sagte ein angesehener Mann namens Ivar der Schmied, »daß König Sven keine Christen mag, und am wenigsten deren Priester, die er totschlägt, wo immer er ihrer habhaft wird. Und das ist wohl begreiflich, wenn ihn einmal ein solcher Wurf aus der Hand dieses Priesters getroffen hat. Denn das mag für einen König die größte Schmach sein und vergißt sich nicht leicht.«
»Besonders, wenn ihm dabei einige Zähne ausgeschlagen wurden«, sagte ein anderer angesehener Bauer, der »der Schwarze Grim von Fjäle« hieß. »Denn jedesmal, wenn er eine Brotrinde kaut oder an einer Hammelkeule nagt, wird er an den Schaden erinnert, den er erlitten hat.«
»Das stimmt«, sagte ein dritter, der Uffe Rundfuß hieß, »denn so ging es mir auch, als ich meinen Fuß verlor, damals, als ich mit meinem Nachbarn Thorvald in Lingaled uneins wurde. Jener haute zu, während wir mitten im Gespräch waren, und ich konnte nicht hoch genug springen; und noch lange, nachdem der Stumpf ausgeheilt war und ich mit einem Holzfuß gehen gelernt hatte, fühlte ich mich immerzu müde und hilflos, ob ich ging oder stand, und sogar im Bett; das kann meine Frau bezeugen, denn sie hat es lange nicht anders gehabt als eine Witwe. Aber als das Glück sich endlich gewandt hatte und ich Thorvald mit meinem Pfeil im Halse vor mir auf dem Weg liegen sah, da tat ich einen so großen Sprung über ihn weg, daß ich nahe daran war, auch mein gesundes Bein zu brechen; so stark fühlte ich mich plötzlich. Und seitdem hat mir nichts gefehlt.«
»Nicht des Vaters Willibald wegen tötet mein Bruder Sven die Christen«, sagte Ylva; »denn er hat sie von jeher sehr gehaßt und das am meisten, seit mein Vater anfing, sie zu beschützen und dann sich sogar taufen ließ. Nicht einmal den heiligen Bischof Poppo, den sanftesten aller Menschen, konnte er anschauen, ohne gehässig vor sich hin zu murmeln; mehr wagte er damals nicht, solange mein Vater die Macht hatte. Aber nun tötet er sowohl Bischöfe und andere, wo immer er ihrer habhaft wird; davon hat man sogar hier gehört; und es wäre gut, wenn seine Zeit bald um wäre.«
»Die Zeit der
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