Die Abenteuer des Röde Orm
aus. Denn es ist eine Eigenheit der Dichter, daß es, wenn von zweien der eine am Dichten ist, dem anderen keine Ruhe läßt, bis er etwas zusammengebracht hat, das ihm besser scheint.«
Orm saß mit den Händen auf den Knien und schaukelte auf der Bank hin und her; er seufzte tief und murmelte mit hohler Stimme vor sich hin. Aber schließlich war er mit dem Dichten so weit, daß allesstimmte; er nickte erleichtert und schlug mit der Faust auf den Tisch, um sich im Lärm Gehör zu verschaffen. Darauf sagte er folgendes her:
»Nicht nennst du Freund mich
Nun, König Sven!
Arg ist und feindlich
Dein Tun, König Sven!
Doch hab ich Freunde wert:
Gott und mein scharfes Schwert
Helfen und halten getreu –
Daß ich sieghaft sei –
Zu mir, König Sven!«
Alle, die noch begreifen konnten, was er sagte, nahmen das mit großem Beifall auf, und Orm trank tief aus seiner Kanne und war wieder bei bester Laune.
»Hier haben wir nun etwas Gutes zustande gebracht«, sagte er, »ein Lied, das allen gefällt und das König Sven wenig freuen dürfte. Und daß zwei Dichter bei diesem Fest mit dabei sind, ist etwas, woran man zurückdenken wird, denn Leute, die Verse machen können, scheinen in dieser Gegend dünn gesät zu sein; und auch wenn wir beide im Dichten einander nicht gewachsen sein sollten, so hast du, Gisle, doch mit Ehren bestanden und darum will ich dir zutrinken.«
Aber als Orm nun versuchte, durch den Rauch der Kienspäne zum unteren Tischende hinabzuspähen, war Gisle nicht zu entdecken, und auch unter denen, die
schon unter dem Tisch lagen, fand er sich nicht. Da aber auch Rannvis Platz leer war, hielten die Eltern beider es für wahrscheinlich, daß ihre Kinder gleichzeitig schläfrig geworden waren und, wie es guterzogener Jugend geziemt, sich still entfernt hatten, um nicht zu stören.
Unter Asas und Ylvas Beistand versprachen an diesem Abend vier Frauen dem Vater Willibald, daß er bald ihre Wickelkinder werde taufen dürfen, sofern das feierlich und im gleichen Taufbecken geschähe, in dem Harald Ormsson die Taufe empfangen hatte; aber keiner der Gäste, so gut gelaunt sie durch die reiche Bewirtung auch waren, wollte für sich selbst dergleichen sicher zusagen. Und damit mußte er, der mehr erhofft hatte, sich bescheiden.
Am nächsten Tage, dem letzten des Festes, wurde am gründlichsten gezecht. Denn es war noch reichlich viel vom geräucherten Schaffleisch da, und auch der größte Teil eines frischgeschlachteten Ochsen war übrig, desgleichen zwei Bottiche vom besten Bier und eine kleine Bütte mit starkem Met von Lindenhonig; und Orm sagte, es würde weder ihm noch den Geladenen zur Ehre gereichen, wenn am Ende des Festes noch irgend etwas von alledem übrig sei. Allen Gästen war an seiner und ihrer eigenen Ehre viel gelegen; sie versprachen also, ihr Bestes zu tun und machten sich schon am frühen Morgen ans Werk; nun käme es darauf an, sagten sie mit Zuversicht, sowohl den Gastgeber wie den Priester unter dem Tisch liegen zu sehen, bevor der letzte Tropfen getrunken sei.
Orm nahm den Priester beiseite, um seinen Rat zu hören. Er wolle wissen, sagte er, ob es gegen göttliches Gebot sei, Heiden zu taufen, die sich bewußtlos getrunken hatten.
»Denn so wie dieser Tag sich anläßt«, meinte er, »könnte gegen Abend wahrscheinlich viel Gutes ausgerichtet werden.«
Vater Willibald sagte, das sei eine schwierige Frage, die auch die heiligen Männer des Bekehrungswerkes nicht ohne Zaudern erwogen hätten.
»Einige halten dafür«, sagte er, »daß solches Taufen angängig ist, wo der Teufel sich allzu hartnäckig erweist; sie berufen sich dabei auf den großen Kaiser Karl, der mitunter die widerspenstigsten der wilden Sachsen, die starr an ihrem alten Teufelskram festhielten, durch Keulenschläge betäuben ließ, wenn sie zur Taufe geschleppt wurden, damit ihrem lästerlichen Geheul und ihrer Gewaltsamkeit Einhalt geschähe. Niemand kann leugnen, daß auch auf diese Weise dem Teufel ein großer Tort angetan wird; und ob nun die Widerstrebenden durch die Keule oder durch Bier betäubt werden, dürfte ziemlich auf eines herauskommen. Dennoch, zu Lebzeiten des alten Kaisers Otto dachte der heilige Bischof Pilgrim von Salzburg in dieser Sache anders; er hat darüber auch einen Hirtenbrief geschrieben, der seine große Weisheit bekundet, und Bischof Poppo, mein frommer Lehrer, pflegte zu sagen, daß die Meinung des Salzburgers die rechte sei. Denn es mag ja wohl sein, sagte er, daß die Taufe von
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