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Die Abenteuer des Röde Orm

Die Abenteuer des Röde Orm

Titel: Die Abenteuer des Röde Orm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frans Bengtsson
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Bösen währt oft lang«, sagte Vater Willibald, »aber etwas reicht noch länger: die Strafe Gottes.«
    Nun hatte man an dem einen Tischende angefangen, Verse zu machen; dort saß bei viel Kurzweil die Jugend; und an jenem Abend entstand das Spottlied, das seitdem noch lange in den Waldgegenden auf Festen, auf der Tenne und beim Messerwerfen gesungen wurde und das späterhin »das alte Lied von König Sven« genannt worden ist. Den Anfang machte ein junger Mann namens Gisle, der Sohn des Schwarzen Grim. Er war gut gewachsen, dunkel und hatte bleiche Haut; und obschon ihm, was den Verstand anging, nichts fehlte, hatte er doch die Eigenheit, Mädchen gegenüber schüchtern zu sein, ungeachtet der freundlichen Blicke, die sie ihm zuwarfen. Seinen Angehörigen schien das ein schlimmes Gebrechen, für das auch die Klügsten kein Heilmittel wußten. Und nun hatte er wieder schweigsam und verzagt dagesessen und hatte sich nur mit Essen und Trinken befaßt, obschon er, wie man wohl wußte, sich ebensogut wie jeder andere aufs Reden verstand. Ihm gegenüber saß Rannvi, ein blühendes Mädel mit Stumpfnase und Grübchen im Kinn, ein Mädel, das manchen jungen Mann nachdenklich stimmen mochte. Er hatte von Anfang an immerzu nach ihr geblickt, doch ohne daß er etwas zu sagen wagte, ja, er schien tief erschrocken, wenn es so kam, daß ihre Blicke sich begegneten. Einige Male hatte sie ihn seiner Wortkargheit wegen geneckt, es hatte jedoch nichts geholfen; jetzt aber hatte das gute Bier ihm Mut gemacht, und nachdem er herzlich über das gelacht hatte, was von den Handgreiflichkeiten zwischen König Sven und Vater Willibald erzählt worden war, begann er plötzlich, sich auf der Bank hin und her wiegend, mit lauter Stimme:
    »Kämpfend fällte vom Pferde
Priesterhand König Sven;
Kopf voran schlugst du, König,
Schwer zur Erde.«
    »Hier gibt es etwas Neues«, riefen die in der Nähe Sitzenden. »Gisle ist ein Dichter. Er hat ein Lied auf König Sven begonnen. Aber es ist erst halb; wie wird es weitergehen?«
    Viele halfen nun beim Fertigdichten des Liedes mit, aber es war nicht leicht, damit so weit zu kommen, daß alles stimmte, und wieder war es Gisle, der schließlich auf das Rechte verfiel, so daß das Lied nach einer alten, wohlbekannten Melodie auch gesungen werden konnte:
    »Mächtige Männer im Reiche
Beugen sich dir, König Sven.
Gleiches vergiltst du mit Gleichem
Selbst dem Gott Tyr, König Sven.
Aber ein Priesterlein
Traf dich mit einem Stein –
Und vom Pferde zur Erde
Purzeltest du, König Sven!«
    »Er ist ein Dichter! Er hat ein richtiges Gedicht gemacht!« schrien die zunächst Sitzenden, und am lautesten schrie Rannvi. »So hört doch die Jungen!« sagten die Älteren. »Sie haben da einen Dichter entdeckt. Der Sohn Grims des Schwarzen hat ein Gedicht auf König Sven gemacht. Wer hätte das wohl gedacht! Ob er das von dir hat, Grim? Oder steckt ein anderer dahinter?«
    »Laßt das Lied hören!« sagte Orm.
    Gisle mußte nun sein Werk vor allen hersagen, und anfangs klang seine Stimme unsicher. Aber als er merkte, daß sein Lied den Zuhörenden gefiel und daß sogar Orm ihm zunickte, verließ ihn die Furcht, und er konnte nun ohne Scheu Rannvis Blicken begegnen.
    »Ich kann noch mehr und noch viel besser dichten«, sagte er ihr, als er sich wieder setzte.
    Sein Vater, Grim der Schwarze, grinste hochzufrieden vor sich hin; er sagte: in jungen Jahren sei auch er mitunter zum Dichten aufgelegt gewesen, aber es sei ihm dann immer etwas anderes in die Quere gekommen.
    »Aber sonderbar ist die Sache doch, denn der Junge ist ja menschenscheu, und am schlimmsten ist es damit, wenn Mädchen in der Nähe sind, obschon er selbst es gern anders hätte.«
    »Glaub mir nur, Grim, vor denen braucht er sich jetzt nicht mehr zu fürchten«, sagte Ylva. »Denn nun, da er sich als Dichter gezeigt hat, werden sich so viele an ihn hängen, als an seinem Hals irgend Platz finden. Mehr als einmal hörte ich meinen Vater sagen – und er war in allem sehr weise –, daß, wenn ein Dichter in der Nähe ist, die Mädchen es treiben wie die Fliegen, die alle Schüsseln umkreisen und von ihnen naschen, aber alles liegen lassen, sobald sie den Duft des Honigtopfes spüren.«
    Orm saß mit bekümmerter Miene da und starrte in seine Bierkanne, ohne irgend etwas zu hören. Äsa wollte wissen, was ihm fehle, aber er brummte nur zerstreut und antwortete nicht.
    »Wenn ich ihn recht kenne, so ist er am Dichten«, sagte Ylva. »Dann schaut er so

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