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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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wichtigsten Momente meines Lebens und die dazugehörigen Personen beschreiben.

Kindheit am Prenzlauer Berg
    Die erste und wichtigste Zeit meiner Kindheit verbrachte ich bei meiner Oma und bei meinem Großvater. Ich wußte als kleiner Junge gar nicht, daß Du mein richtiger Vater bist.
    Der Prenzlauer Berg faszinierte mich. Die alten Häuser mit ihren verwinkelten Hinterhöfen waren für mich ein einziger Abenteuerspielplatz. Oft lief ich mit den Nachbarskindern über die Dächer der Dunckerstraße. Manche Straßen konnte man über lange Strecken die Dächer entlanggehen. Ein anderer meiner Lieblingsorte war die S-Bahn-Brücke zwischen Prenzlauer und Schönhauser Allee. Wir spielten dort fast jeden Tag an den Gleisen.
    Die Abende verbrachte ich meist bei meiner Oma. Dich hielt ich für einen sympathischen Onkel. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Du manchmal zu Besuch da warst und mit mir gespielt hast.
    1971 zogen wir dann in das Neubauviertel südlich der Frankfurter Allee in Lichtenberg. Die Wochenenden verbrachte ich dennoch weiterhin bei meiner Oma am Prenzlauer Berg. Die Menschen dort erschienen mir schon damals viel lockerer und ungezwungener als die Bewohner des Neubauviertels.
    Im Haus meiner Oma wohnte damals eine Kommune. Die langhaarigen Hippies luden mich häufig in ihre Wohnung ein. Lange Haare waren zu dieser Zeit in der DDR verpönt.
    Die Mitglieder der Kommune liefen dort fast alle den ganzen Tag nackt durch die im Erdgeschoß liegende Wohnung, und an den Fenstern hingen keine Gardinen. So sah man gelegentlich Schaulustige, die auf der Straße stehenblieben und die nackten Frauen angafften. Ich war von der Lebensweise dieser Leute fasziniert, die mich richtig verwöhnten. Dort rauchte ich meine erste Zigarette. Es störte mich überhaupt nicht, daß einige der Leute in der Wohnung bereits über dreißig waren. Gelegentlich übernachtete ich sogar bei den Langhaarigen, und der Gedanke, eines Tages so zu leben wie diese Hippies, machte mich fröhlich.
    Zu dieser Zeit war es, daß Oma mir erzählte, Du seiest in Wirklichkeit mein Vater. Diese Geschichte verwirrte mich zuerst ein wenig. Im Grunde war ich jedoch froh, zumal ich mit Edgar, meinem Stiefvater, seit einiger Zeit überhaupt nicht mehr klarkam. Ich hatte schon längst das Gefühl gehabt, daß er meine Halbgeschwister bevorzugte. Indem mein Stiefvater damit anfing, mich in der Familie zu diskriminieren und versuchte, unsere Probleme mit Gewalt aus der Welt zu räumen, verspielte er seine letzten Sympathien bei mir. Meine Mutter hat zwar in diesen Auseinandersetzungen immer zu mir gehalten, sie konnte sich aber gegen das grobe Verhalten meines Stiefvaters nicht durchsetzen. Wie hätte ich Dich damals gebraucht.
    Von nun an erschien ich nur noch zum Schlafen in unserer Wohnung und ging so allen Auseinandersetzungen mit Edgar aus dem Wege. Mein Leben spielte sich fortan auf der Straße oder in den Wohnungen anderer Leute ab.

Punk und Bürgerschreck in Lichtenberg
    In unserem Neubau-Wohngebiet existierte bald eine ziemlich große Clique von Jugendlichen, in der es Hippies, Punks und auch schon Rechte gab. Als Dreizehnjähriger war ich noch immer am meisten von den Hippies fasziniert. Die waren im Durchschnitt alle sechs bis acht Jahre älter als ich. Sie taten nur das, worauf sie gerade Lust hatten, und diese Lebensauffassung kam meinem Naturell sehr entgegen. Mit Arbeit hatte kaum einer von ihnen etwas am Hut.
    Wir waren ständig unterwegs. Am Wochenende nahmen mich die Hippies immer zu irgendwelchen Konzerten mit, und im Sommer fuhren wir regelmäßig an die Ostsee. Alle kümmerten sich rührend um mich, ich war ja mit Abstand der Jüngste von ihnen. Jeder fühlte sich für mich verantwortlich. Mal wurde aufgepaßt, daß ich nicht zu viel Alkohol trinke, ein anderes Mal, daß ich genügend zu trinken hatte.
    Die Nachmittage verbrachte ich meist damit, Alkohol aus der nächsten Kaufhalle zu klauen. Auf diese Diebestouren kam manchmal mein ältester Freund mit, Frieder Meisel, genannt Freddy. Er war der einzige Gleichaltrige in der Gruppe. Freddy fühlte sich schon mehr den Punks zugehörig, aber das hatte damals keinerlei Bedeutung. Fast jedesmal, wenn wir beide unterwegs waren, passierte irgend etwas.
    Einmal, als ich mit ihm in einer Kaufhalle stand, fielen mir die gestohlenen Flaschen aus der Tasche. Angestellte und Kunden starrten mich fassungslos an. Ich nutzte das aus und rannte, so schnell ich konnte, aus der Kaufhalle. Freddy

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