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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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diesem Doppelmörder begegnet bist. Auch er gehört zu unserer Wirklichkeit, und der eine kennt den und der andere eben den.

Einzelhaft
    In Rummelsburg kam ich in die Zelle von Stefan. Dieser junge Mann stammte vom Lande und saß wegen eines Sittlichkeitsdeliktes. Nach mehrfachen Ansätzen berichtete er mir zögernd und verlegen, daß er sich verschiedene Male an einer sozialistischen Produktionskuh vergangen habe. Dabei wurde er ertappt. Fast liebevoll erzählte er mir von seinem besonderen Verhältnis zu Tieren. In seiner Urteilsbegründung stand tatsächlich, daß die von ihm vergewaltigten Kühe danach weniger Milch gegeben hätten und somit eine Schädigung der Volkswirtschaft eingetreten sei. Dafür hatte Stefan ein Jahr Haft erhalten.
    Einen Tag später wurde ich in Einzelhaft untergebracht. Man legte großen Wert darauf, daß politische »Straftäter« möglichst von den anderen Häftlingen isoliert wurden. Nachdem ich diese beiden ganz besonderen Typen kennengelernt hatte, man glaubte sicher, daß ich sie kaum »politisch negativ« würde beeinflussen können, war ich nun mit mir selbst allein. Ich befand mich eine Etage unter dem Keller. Es gab hier keine Geräusche mehr, außer wenn der Wärter morgens, mittags und abends das Essen brachte und den Tisch herunterschloß. Ich hatte jeden Tag zehn Minuten Freigang, in denen ich die Zelle verlassen durfte, um in einem fünfzehn Quadratmeter großen Hof, mit Handschellen gefesselt, spazierenzugehen. Wenn die Wärter keine Lust hatten, mit den in Isolationshaft befindlichen Häftlingen herumzulaufen, erzählten sie einfach, daß es regne.
    So verbrachte ich viele Tage in meiner drei mal drei Meter großen Zelle damit, wie ein Tier im Kreis zu laufen. Ich versuchte vergeblich, mich abzulenken. Anfangs versuchte ich, durch Klopfen einen Kontakt zu anderen Häftlingen herzustellen. Die Wände waren aber für eine Verständigung viel zu dick. Erst nach meiner Entlassung aus der Haft habe ich erfahren, daß mein »Mittäter« und Freund Freddy direkt meiner Zelle gegenüber untergebracht war.
    Nach ein paar Tagen Einzelhaft war ich dem Wahnsinn schon sehr nahe gekommen. Ich wollte durchdrehen, aber es ging nicht. Es interessierte niemanden, was ich machte, und niemand reagierte auf mein Verhalten. Über mehrere Tage hinweg konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Schließlich war ich mit meinen Nerven so weit am Ende, daß ich in meiner Verzweiflung nur noch weinen konnte.
    Irgendwann nach ein paar Tagen hatte ich diesen schrecklichen Zustand überwunden. Eines Morgens schob mir der Wärter wie jeden Tag das Frühstück durch die Luke. »Vielen Dank, Herr Obermeister, und einen wunderschönen guten Morgen, wie ist denn heute das werte Befinden?« Der Wärter wußte überhaupt nicht, wie er auf meinen übertrieben freundlichen Gruß reagieren sollte, war ich doch bisher völlig apathisch, deprimiert und nicht ansprechbar gewesen.
    Ich befand mich also auf dem Wege der Besserung, obwohl es mir vorkam, als hätte ich alle Gefühle in mir abgetötet. Ich versank in eine absolute Gleichgültigkeit meiner Umwelt und mir selbst gegenüber - ich war nicht mehr angreifbar. Diese Gefühllosigkeit ist ein anderer schrecklicher Zustand, gegen den ich heute noch manchmal anzukämpfen habe.
    Nach meinem täglichen Spaziergang im Hof, wenn der Wärter mich wieder zurück in meine Zelle brachte, sagte ich jedesmal zu ihm: »Und wieder schön zuschließen, lieber zweimal zuschließen, man weiß ja nie, sicher ist sicher.« Ich grinste ihn an, weil ich gemerkt hatte, daß er sich darüber aufregte. Das war für mich jedesmal ein außerordentlich wichtiges Erlebnis: Ich hatte für Momente bewiesen, daß ich noch existierte.
    Es war sehr wichtig, in Gegenwart der Wärter Stärke zu demonstrieren. Sie waren dann im täglichen Umgang mit dem Gefangenen meist vorsichtiger und zurückhaltender. Diese Veränderung im Verhalten der Wärter machte mir deutlich, daß ich etwas erreicht hatte.
    Die meiste Zeit in der Isolationshaft verbrachte ich damit, die Ziegelsteine, die Gitterstäbe und die Niete an den Türen hinauf und herunter zu zählen. Gelegentlich machte ich Liegestütze und Kniebeugen, oder ich lief einfach hundertmal von einer Wand zur anderen. Wenn ich einen Anflug von Depression spürte, rüttelte ich wie ein Irrer an den Gitterstäben. Ich wollte nicht schreien, weil man mich sonst angekettet hätte.
    Während der Isolationshaft bekam ich zum erstenmal Besuch von meiner

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