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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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einfach die Existenzgrundlage entziehen dürfen, mit unserer Urbarmachungsscheiße. Es waren die Atlantiker gewesen, die darauf hauptsächlich gedrängt hatten, weil sie aus eigener Erfahrung wußten, daß das Argument, die Venus könne nicht belebt sein, weil es auf ihr so lebensfeindlich zugeht, keineswegs, ja, sagen wir's in ihrer Sprache: keineswegs wasserdicht war. Schließlich kannten sie aus eigner Anschauung Geschöpfe, die es in Tiefseegräben an kochenden Bruchstellen der Erdkruste aushielten, unter Bedingungen, die kaum freundlicher waren, als sie hier anfangs herrschten. Da, wo du gewohnt hast, lagen, als wir ... als unsere Vorfahren kamen, noch Metallbrocken herum, die glühten. Alles wurde abgesucht, durchkämmt, erst als man sicher sein konnte, nichts übersehen zu haben, wurden die Sporen disloziert. Und jetzt? Rituale, Cargo-Kult, Halberinnertes ...«
    »Du zitterst. Du zitterst ja richtig«, sagte Feuer und hielt den Apparat, den er inzwischen recht gern mochte, fest. Zagreus summte leise: »Gut. Lassen wir das. Komm mit, ich zeig dir deine Kleidung.«
    »Meine was?«
    »Für die Siedlungen der Minderlinge. Die laufen da alle so herum.«
    Als Zagreus Feuer zeigte, worum es sich handelte, konnte der Prinz nicht einmal drüber lachen: Das war ja wohl das Traurigste, Lächerlichste und Unliebenswürdigste, was er je gesehen hatte. Wenn Leute schon nicht nackt herumliefen, warum ließen sie sich nicht Felle wachsen?

    Feuer schrak zusammen, als Zagreus ihm etwas auf die Schulter legte, was sich wie eine Klaue anfühlte.
    Die Dachsmaschine sagte: »Zwei Dinge.«
    »Zwei ... Dinge?«
    »Zwei Dinge hab ich für dich, damit du nicht mehr den ganzen Tag in deiner Koje liegst und dir einen nach dem andern auf deine Mutter und sonstige längst ausgestorbene Pelzchen runterholst.«
    »Zwei Dinge«, wiederholte der Prinz skeptisch.
    »Ein Buch und eine Erfahrung. Beide bekommst du, wenn du lesen kannst. Lern's.«
    Er warf Feuer drei Kristallspeicherstifte in den Schoß und sagte: »Fang an. Gleich. Nicht nachher. Du mußt es können, wenn wir den ...«, widerwillig sprach er's aus, »...den Weißen Tiger in Niobe erreichen. Wir werden bei Nacht eintreffen. Sie suchen den Himmel nicht ab, das ist gut. Du wirst heruntergelassen wie ein Dieb, wirst über eins der Dächer eindringen oder über die Mauer, wie die Israeliten in ... vergiß es. Lern lesen.«
    War dieses Lesen etwas wie das Schnitzen und Bogenschießen, das die Freunde mit Fell vergeblich versucht hatten, Feuer aufzuschwatzen? Er hatte es ein paarmal ausprobiert, damit sie ihn in Ruhe ließen. Sie hatten einsehen müssen: Da war nichts zu machen.
    Das Lesen, stellte sich heraus, als er die Lernroutinen geladen hatte, brachte mehr.
    Schon wenige Stunden später suchte er Zagreus im Maschinenraum auf, der im Schweif des Siebenvierers untergebracht war. Dort hatte man Wetterbeobachtungsanlagen, Synthetiktanks und Aktuatoren für die Klimakontrolle installiert, es gab für Feuers Vormund also immer etwas zu hantieren. Schweigend legte der Prinz ein Blatt von einem der Schlingbäume im Gewächshaus vor die Dachsmaschine hin. Mit speichelbefeuchteter Holzkohle hatte er in drei alten Sprachen daraufgeschrieben: Ich kann lesen, kannst du's auch?

    »Sehr gut. Man hat nicht übertrieben, was deine Auffassungsgabe angeht.«
    Zagreus reichte Feuer einen kleinen, zusammengeleimten, mit einer wächsernen Konservierungsschicht Seite für Seite haltbar gemachten Stoß Papier: ein Buch.
    »Enthält Gespräche mit dem Löwen, aufgezeichnet von der Fledermaus. Ein paar sehr grundsätzliche Sachen, allerdings zumeist Halbwahrheiten, und die Überlieferung wird auch nicht immer ganz astrein gewesen sein – die neueste Ausgabe ist jedenfalls diese, so ist sie in den ... drei ... Städten im Gebrauch, bei den Minderlingen.«
    »Okay, das Buch. Und das zweite, was du angekündigt hast, die Erfahrung?« Feuer zog ein garstiges Gesicht bei dieser Frage und spuckte ostentativ unter einen der Motoren.
    »Hm?« Zagreus war schon wieder mit Handwerkelei befaßt.
    »Du hattest gesagt, du hättest zwei Dinge für mich: ein Buch und eine Erfahrung.«
    »Ah ja. Genau. Aufbaustudium – nachdem man dir ja, wie ich mitkriegen konnte, Sexualität und ähm ... die Grundbegriffe der ... Liebe beigebracht hat«, Feuer dachte an die Zeit mit den Salamandern und verspürte zum ersten Mal etwas wie Heimweh, »sollst du nun wissen, das heißt, erleben, ich meine, hmch, also, ebenfalls durch

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