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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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keinen Fluß als Straße, sie meint etwas Schnelleres, noch Ungreifbares, anders als alles Vermögen des Fuchses. Und ich bin kurz davor, aus dem Krähennest zu rutschen aber er (sie?) hält mich fest, holt mich zurück: »Nein, Dryade!« Wir wiegen uns im Wind.
    Aber es gibt keinen Wind. Wir wiegen uns mit den Sternen. Sie sind nicht weit weg. Sterne, Felsen, kleine Lebewesen. Aber es wird das Blut der kleinen Lebewesen auf den Felsen vergossen, als ein Dienst am Höchsten, und auf den Treppen auch, zum Tempel, und das Blut ist heiß, es zischt, wie hier auf meiner Welt das Wasser zischt, wenn ich es auf die Steine gieße, den heißen Stein, ESEMPIO SACRO ALLA BELLEZZA ETERNA. / Le mura che'l cingean tutto d'intorno, / Mist' eran d'alabastro e di cristallo, / E di fuor tralucean senz' altro velo, / Come per l'aria a noi , le stelle in cielo. Und ich blicke in den Schwingspiegel im Sandelholzzimmer und erkenne den schwarzen Isottatempel, wo junge Vestalinnen mit Habichtsköpfen in langen rautenschattierten Gewändern aus Taubenfedern, die ihre blanken Mädchenhinterteile herzförmig ausgeschnitten zeigen, steile breite Treppen mit dem verdünnten Blut von Lasaras freiwilligen Opfern netzen, das sofort verdampfte, so heiß ist das schwarze Gestein. Alle Stufen, alle Säulen wollen, daß ich horche, Feuer, hörst du? Diminuendo ... keine Musik ist ja nicht auf Erden, die unsrer verglichen kann werden ...
    Musik? Die kannte Feuer nicht, wo war sie, half sie nicht, wo war sie hin? Das Blut das Wasser, this liquid is certainly a / property of the mind / nec accidens est but an element / in the mind's make-up / est agens and functions , aber keine Abstraktion, keine Phantasie. Kein Entwederodermann, keine Sowohlalsauchfrau, ein Bau, ein Wort, ein architektonischer Stil auch, der gar nicht so verschieden ist von dem, was die begehbaren Holos, die Zagreus ihm gegeben hat, Feuer von den Straßenschluchten der Minderlinge gezeigt haben.

    Isotta: Die dritte Frau des Helden, der ein Mensch war und den sie doch den »Wolf von Rimini« nannten, die Dame, der zu Ehren er die alte Franziskanerkirche umbauen und neu weihen ließ, römische Bogen draußen und innen die Kunst, Diana mit den Zügen der Liebsten, daneben der Erbauer als die Sonne, auf dem Stein, aus dem der Bogen entspringt, spendet Licht für all die andern Widerspiegelungen Isottas, als Mond, als Merkur, als lebendige Rhetorik, als Tanz, als Zwillinge, als Putten auf den Balustraden.
    Sonne heiratet Mond, ein Geheimnis, bekannt seit Eleusis –

    »Wach auf, wach auf! Komm raus, verlier dich nicht hier drin.« Die Klaue aus Eisen und Drähten, die Augen an Stielschlangen: Zagreus.
    Feuer schüttelte den Kopf, Tränen standen in seinen Augen: »Es ist so ... es ist sehr ... schwer, da wieder wegzugehen. Aus dem Tempel. Wird es so sein, wenn ich den wirklichen Ort betrete, wenn ich ihn finde? Gehöre ich da hin, bin ich dort zu Hause?«
    Die Maschine antwortete nicht.
    Aber als Feuer die Augen schloß, um sich die schmerzenden Schläfen zu massieren, sah er in seinem innersten Sinn einen grünen Dachsenkopf, der nickte.
4. Schlechte Stadt
    Das einzig Hübsche an der greulichen Anlage des klobigen Ganzen war ein Stein- und Glaslicht, ein Spiel, das davon handelte, wie die Sonne an den Kanten der Bauwerke entlangleckte, um herauszufinden, ob sie schon nach Vergangenheit schmeckten. Von diesem Lichtspiel abgesehen fiel Feuers Inventur gemischt bis übel aus: Es gab öffentliche Plätze mit runden Bildsäulen, auf denen fortlaufend an den Gemeinsinn einer Population appelliert wurde, die dem Mangel ausgesetzt war und anderen Pionierleiden, die man ertragen muß, wenn man »auf menschenfeindlichem Terrain eine trotzige Zwingburg der Neumenschlichkeit« errichtete (so stachelte die Propaganda faden Stolz an).
    Es gab öffentliche Verkehrsmittel, vor allem Magnetschwebebahnen, in denen es nach der unglaublichen Idiotie von Geschöpfen roch, die sich ohne jeden bewußten Vorsatz bald hierhin, bald dahin bringen ließen, als Ergebnis einer dumpfen Ergebung in eine von niemandem je auf ihre Triftigkeit untersuchte Arbeitsteilung – sie fuhren zu Luftsäuberungsanlagen und Fabriken, zu großen Agrarkuppeln am Stadtrand, zu Riesenlabors, in denen neue Werkstoffe erfunden und in Nanofakturen produziert wurden, und das alles taten sie nicht etwa aus Neigung, Interesse oder Neugier, sondern weil sie damit zum Ausdruck bringen wollten, daß sie zum auserwählten Stamm der nicht

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