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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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nach unten sauste, sagte die Fledermaus: »Er hört ihnen jetzt wirklich zu, weißt du. Den Gente von überallher.«
    »Hab's vernommen«, sagte die Libelle, »es war sogar eine Abordnung der Wölfe bei ihm. Die reden schon wie der Zander – man muß die Verhältnisse im Innern regeln, bla bla bla, die operativen Ziele klar definieren, auf die wir hinleben, in dieser ... neuen Zivilisation – Geburtenkontrolle, Abschaffung der restlichen Arbeit, soweit es geht, Ausbau des Reichs der Freiheit, Aufhebung nach wie vor hier und da noch bestehender Artenschranken, Gleichheit zwischen den Generationen nach der Befreiung ... sie merken also, daß es nicht damit getan ist, sich zu separieren und im eigenen Verein irgendein ... Utopia zu leben. Sie brauchen ihn, als Schutzmacht, und wollen ihm deshalb jetzt schon ihre ... jeweiligen Lebensweisen schmackhaft machen, damit sie nichts davon aufgeben müssen, wenn sie in die drei Städte umziehen, weil es auf dem freien Land nicht mehr sicher ist.«
    Die Analyse war detailreich und, soweit Izquierda beurteilen konnte, überraschend treffend. »Ich dachte, so was beschäftigt dich gar nicht. Jetzt sehe ich, du hast es schon mit aufgenommen in deine Planungen und Peilungen.«
    Die Libelle nickte mit dem smaragdenen Köpfchen: »Freilich; man soll die Politik gerade gut genug kennen, daß sie einen nicht überraschen kann. Aber nie besser.«
    »Das muß ich mir merken; das kommt ins Buch.«
    »Ins Buch?« Die Libelle hatte davon gehört, daß alte Speichermedien eine bescheidene Renaissance erlebten, im Zuge einer der Erinnerungsmoden rund um die Langeweile, und fand's ganz sinnvoll: Alles immer nur in Pherinfonbanken zu lagern, würde wohl am Ende bloß dem Heuschnupfen der Archivare Vorschub leisten.
    »Du schreibst eins?«
    »Mein wissenschaftlich-philosophisch-politisches Testament, ja«, sagte die Fledermaus großartig, wenn auch nicht ohne selbstironischen Unterton. »Gespräche mit dem Löwen. Ein Dialog, in bester platonischer Tradition.«
    Die Libelle machte ein absichtlich obszönes Geräusch mit den Flügeln, dann hielt der Aufzug an.
    »Also, da sind wir. Essen fassen. Saufen. Huren.«
    Izquierda zog die Brille ab, blies angebrannte Nachtluft aus den Nüstern und kicherte gutmütig.
    Ein langer, ausschweifender Abend stand bevor.

II.
LÖWE UND BAUM
1. In einem dunklen Wort
    »Der Mensch, das große Ungedachte, bsss, warum nicht? Sollen sie ihn neu züchten, herrichten ... domestizieren, wenn sie das wollen, die ulkigen Dschungelgötter, und ihn sich ins große ungemachte Bett legen. Stört's uns? Humanismus, tiefes Wasser, neue Weibchen ...«, dibberte Philomena freudig vor sich hin, weil ihr wohl war. Sie hatte einen strahlenden Sieg bei der Frontbegradigung zu melden.
    Die Kelche der kostbaren Blüten im Raum dufteten stärker als alle Pherinfone draußen; die Sonne schien freundlich durchs breite rückwärtige Fenster. Um sich dem Herrscher deutlicher zu machen, setzte Philomena hinzu: »Im entschlossenen Tiersein und ... Tierbleiben haben die Gente einen Vorteil ergriffen, an den nichts heranreichen wird, was diese beiden ... je erschaffen könnten.«
    Die Libelle schwebte in gehöriger Höhe mitten im Sandelholzzimmer, dem Vorraum zum Sanctum Sanctorum des Löwen. Ein Schwingspiegel, dunkel wie poliertes Blei, hing vor ihr an der Wand, nahm auf, was sie sagte, und sandte es dem Löwen, der träumend auf Reisen war, in seinem REM-Raum: Hinter den Holzpaneelen lag der Vater aller Gente in einer von körperwarmer Kupferwolle beheizten Kissenlandschaft und ließ nur wenige isolierte höhere Hirnfunktionen mit der Außenwelt verkehren. Während der ruhigen Phasen seiner Staatsgeschäfte verschlief er inzwischen ganze Monate, damit er, wenn sie dringlich wurden, um so kraftvoller eingreifen konnte.

    »Es war also«, fuhr Philomena fort, sich ihrem Thema in vorsichtigen Ellipsen nähernd, »um zu den Angelegenheiten des Inneren zurückzukommen, ganz richtig, was wir mit den Kügelchen ... Nun, wir haben, da sie jetzt schon die Quellen, Bäche, Flüsse meiden, den Menschen über ... Mittler zwischen ihnen und den Gente, vor allem Wanderratten und andere kleine Händler, überzuckerte Limonade verkauft, auf Flaschen gezogen, wie sie's mögen. In denen ... das heißt im ... Substrat, waren, entsprechend Eurer Empfehlung, die Kügelchen bis zur Sättigung gelöst.«
    Der Abdruck einer menschlichen Hand, wie aus Wasser gemacht, mit schaumigen Kräuseln auf dem Handrücken,

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