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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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die Höhe stellen, auf gigantische Träger aus Titan, und dann wird's um eine gesteigerte Varianz im Innenraum gehen, warum nicht um Zellen inmitten mobiler Leiterlabyrinthe für wagemutige Bewohner, gegen Himmel und Erde geschützt, gepanzert, ge ...

    Feuer wurde in seinem Sitz zurückgeworfen, daß die Gelenke knackten, und der lockere Verband rutschte ihm ins Gesicht. Der Prinz fiel, nein, stieg, was geschah? Das Auto knirschte, die Tröten, links und rechts, vorn und hinten, hupten alle, ein Crescendo. Feuer spürte, daß sein Körper wieder schneller und klüger gewesen war als er selbst: Die Beine traten die Pedale durch, die beiden Arme hatte er angewinkelt und faßte mit allen Fingern fest den Rahmen, der sein Freund war (der fellbedeckte Teil des Körpers atmete, von außen nicht zu sehen, hektisch hinterm Sitz). Alles schwankte, unten stand starrer Verkehr, die Straße legte sich schräg – es mußte, verstand der Prinz, einer der Kräne gewesen sein, was da nach ihm, das heißt: nach seinem Wagen, mit ihm drin, gegriffen hatte und ihn einfach aus dem an diesem Punkt ziemlich zähen Sichvoranwälzen des restlichen Geschiebes und Gehupes herausgehoben hatte – warum?

    Wirbeln, Wind, Schwebeschwindel – es ging auf eine Balustrade zu, einen Balkon über einer großen Glastür auf der andern Seite der Kreuzung. Dort stand eine Gruppe Minderlinge, in glänzendes Schwarz gekleidet, war das Leder? Die Leute trugen Sichtschutzvorrichtungen, die Augen und Nase bedeckten. Sie winkten mit weißen Stäben oder Beuteln, es war noch nicht genau zu erkennen, aber der Schwenkarm ließ Feuer auf sie zustürzen, als wäre er von einer riesigen Metallfeder oder einer explosiven chemischen Pulverreaktion abgeschossen worden. Mit rasendem Herzen und keuchendem Atem sah Feuer, daß da überhaupt nichts zu machen war – selbst beschossen von den Panzern, auf freier Fläche Haken schlagend, war er seinen Feinden nicht so ausgeliefert gewesen wie hier und jetzt, denn sie hatten ihn einfach zu hoch über die Straße erhoben; er würde sich alle Knochen brechen, wenn er jetzt hinaussprang, und außerdem müßte er, wenn er das täte, Zagreus im Stich lassen – sah der eigentlich, was geschah? Mußte er wohl, wenn auch die Stielaugen sich nicht aus dem Gerüst wagten. Dem Prinzen kam es vor, als ob das belastete Knirschen des Materials von Schmerzen zeugte und von dem Drang, sich zu befreien, davonzurennen, fortzurollen.
    Feuer schüttelte den Kopf, warf ihn ruckartig nach vorn, damit das andre Auge frei würde. Der Verband saß ohnehin schief, und es nutzte wohl nichts mehr, die spitzen Ohren zu verbergen. Es gelang ihm nicht, die Maskerade gänzlich loszuwerden, so lehnte er den Schädel schließlich ans Gestänge rechts über sich, rieb ihn dran. Endlich löste sich der Mull und flatterte als zerfetzter Streifen vom Kopf, über die Straße, über die Brücke hin. Mit dem abrupten Aufklappen der Kranklammern wurden Feuer und Zagreus abgeworfen, fielen zwei Meter tief, es krachte. Sofort faßten starke Hände nach Feuer und zogen ihn, der sich nur schwach und unentschlossen wehrte, aus dem angeblichen Auto.
    Sie führten seine Hände hinterm Rücken an den Handgelenken zusammen, dann rastete eine metallene Fessel ein; dasselbe geschah mit den Fußknöcheln. Dann legten sie ihn auf den Boden und gebrauchten Lanzen, Stechwerkzeuge, mit denen sie auf ihn einstachen, daß er schrie. Ein weißblaues Licht, nicht sehr verschieden von dem, das der Walhai auf die Panzer abgeschossen hatte, kam aus Röhrenlampen, die drei der ungefähr zehn Minderlinge hielten, und traf das Auto, den umgebauten Klappstuhldachs. Der leuchtete, Feuer sah's aus den Augenwinkeln, unter flatternden Lidern, denn man versetzte ihm Tritte. Ein Auge war schon zugeschwollen, eins füllte sich mit Blut. Im Knistern des Elmslichts sah er den Freund sich krümmen, und mit Ohren, die bald nur mehr Trampeln und Dröhnen wahrnahmen, hörte er ihn schreien.

    Dann fielen Lärmen und Beben, die Wut, die Angst und das Bedauern in Scherben um Feuer und auf dessen Kopf, zogen sich zusammen zu einem Krümmungspunkt hinter seiner Stirn, und er wand sich, nahm embryonale Haltung ein. Was ist passiert, bin ich nicht länger unverwundbar, kann ich meine Glieder nicht so kurz machen, daß ich verschwinde, reißen sie mein Hemd auf, kann ich sie nicht verbrennen mit den Haaren auf meinem Rücken, warum gelingt es mir nicht, die Gedanken der Quäler zu lesen, warum gelang es mir

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