Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
bekam davon Durchfall oder nicht.
    Die Minderlinge zeigten ihm Vorrichtungen: »Das ist eine Lesetrommel, die haben wir aus deinem Tempel.«
    »Was liest sie?«
    »Wo ist die Software, in deinem Kopf?«
    Das ist ein Trichter, das ist eine Feder, das ist ein irgendwas.
    Leuchtende Bälle, gelbblau gestreifte Bienenleichen, Blumengebinde, Pulver, zeremonielle Brillen, sechsarmige Leuchter, Bruchstücke von Fresken, nichts kannte er, alles erkannte er, es gab dazu kein Wort zu sagen. Wie wäre zu rechtfertigen, daß er das Gefühl hatte, zu wissen, aber nicht den Wortschatz, sein Wissen den Fragern und Peinigern darzulegen, so, daß sie es verstehen konnten, so, daß sie vielleicht zufrieden gewesen wären, daß sie vielleicht von ihm abgelassen hätten?

    Sie setzten ihn hin, sie legten ihn auf eine Bank und schnallten ihn fest, sie hängten ihn von der Decke und versenkten ihn in Röhren, sie zeigten ihm eine komplizierte mechanische Uhr, die sie »Psappha« nannten und deren Ticken er mit seinem Willen beeinflussen sollte; das ging, als sie ihm lange genug mit Kniffen und Gertenschlägen zugesetzt hatten, tatsächlich, aber es nützte ihm nichts – sie wurden nur gieriger davon und führten ihm weitere Apparate vor, einer hieß »Dmaathen«, einer »Komboi«, einer »Kassandra« und einer »Oopha«, einer »Okho«, einer »Persephassa«, und immer waren Rädchen drin und Federn, Gespanntes, Gedrehtes, Gedrechseltes, immer gab es Klappen, Zwingen, Zwecken, immer wurden schwache elektrische Felder aufgebaut, wurde Licht durch Prismen geschickt, wurden Glasglocken zum Leuchten gebracht, und jedes dieser Experimente führte schließlich zu irgendeinem für Feuer unverständlichen Erfolg, zu langen Beratungen, flüsternd, zwischen Preisnitel und den andern Henkersknechten sowie bleichen alten Minderlingen in anderen Uniformen, grünen Kitteln, vielleicht Akademikern.
    Keine Gedanken, die man aufschnappen durfte, keine Richtung, die das Ganze hatte oder die man ihm geben konnte. Nur Schmerzen und witzlose Konzentrationsübungen, einrastende Rädchen, glühende Drahtspitzen, sich drehende Kärtchen, gezogene und gedrückte Stifte und Tasten, dann wieder Schläge, eiskaltes Abduschen, Strom, Aushungern, stundenlange Aufenthalte in aus unbekannten Lichtquellen von allen Seiten grell erleuchteten runden Tanks, unter fahlen Kugeln, von denen Feuer schließlich dachte, so müßte es sein, im Innern von Atomen gefangen zu sein, in den kleinsten Höllenhüllen, und manchmal drehte sich das, rollte, warf ihn hin und her im glatten Lichtleib, daß er sich weitere Verletzungen holte, farbige Flecken unter der Haut, singende Knochen. Einmal sah er sein Gesicht, das er kaum noch erkannte, in der spiegelnden Plastikfläche der äußeren Verkleidung eines der Geräte, an denen man ihn telekinetische Klimmzüge machen ließ (War es »Okho« oder »Akrata«?), und aus dem Stoppelwuchs am Kinn und auf der Oberlippe war ein dichter Bart geworden, dunkler als das Kopfhaar, glänzend, wie ein langer Dachsenpelz. Er dachte an Zagreus, und an die Freunde zu Hause, und daß es nichts und niemanden mehr gab davon – den Ort nicht, die Begleiter und Lehrer nicht.

    Im tiefsten Dunkel endlich, zurück in der Zelle der ersten Zeit seiner Gefangenschaft, kam eine kleine Stimme zu ihm, mild und traurig, leise klagend, vielleicht um ihn: »Warum willst du so viele Leute sterben lassen? Warum hilfst du den Menschen nicht, hier im Weißen Tiger? Bist du nicht ihr Vetter, hast du nicht Arme und Beine? Warum der Haß, warum die Entschlossenheit, zwei Welten in einen sinnlosen Krieg zu stürzen? Weshalb willst du zerstören, was wir hier aufzubauen versuchen, und die Technik des Isottatempels dazu mißbrauchen, die Keramikaner zu reizen, die uns nie etwas getan haben? Was gehen dich die alten Rechnungen an, die verwehten Fehden?«
    Feuer wußte nicht, wovon die Stimme sprach, und hätte ihr das gern gesagt, aber er war zu entkräftet und zerschunden. Eine Hand legte sich auf seine fiebrige Stirn, kühl und sanft. Hier waren Gedanken, endlich, die Feuer spürte, wenn er sie auch nicht verstand – Gesetze, denen Geltung zu verschaffen die Stimme auf dieser tristen Welt war: »Klonierung ist erlaubt, um die Population anwachsen zu lassen, aber das Ideal soll sein, daß das Weib sich der Bestimmung hingibt, die Familie durch Kinder fortzusetzen, und der Mann sich der Aufgabe widmet, diese zu zeugen. Diese doppelte Pflicht, für die Mann und Weib zusammen

Weitere Kostenlose Bücher