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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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der Angeber ihn vollquasselte. Sollte der Löwe den Matsch doch später aus seinem Gehirn popeln.
    Ich hätte bei Lynxchen bleiben sollen und seßhaft werden, so sieht's aus.
    »Verstehen Sie?« fragte das Monster.
    »Sicher«, log Dmitri Stepanowitsch, »faszinierend.«

VII.
DIE ANDERE LIEBE
1. Shapely (für Padraic)
    »Ihr könnt mich alle mal. Und das könnt ihr gut, brrr«, raunzte Dmitri Stepanowitsch, die mandelförmigen Augen zu Schlitzen verengt, die glühten, als die Irren in den Bäumen nicht aufhören wollten, zu rufen, was keinen Sinn ergab: »Bunter Wanderseil wilde Narrenstube!«
    »Rabenwein der Lust!«
    »Rip, cut toy man!«
    »Geistergraf der Linde, alte Irrgestalt, die lange Feder!«
    »Toll. Schwachsinn.« Sie konnten ihn nicht hören; oder sie wollten's nicht.
    Die Hitze, durch die er sich kämpfte, war schwül und drückend. Dmitri mochte lieber wieder ins Wasser, zu den Breitmäuligen und Blödäugigen, als durch diesen verbummelten Quatsch zu trotten.
    Ein Zypressenwäldchen umstand ihn, spendete aber kaum Schatten; es gab zu viele Lücken, der Wechsel – bald brannte ihm die Sonne aufs Fell, bald durchquerte er einen kühleren, aber abgestanden riechenden Flecken – steigerte seine Gereiztheit mit jedem Tritt aufs zundertrockene gelbe Gras. Er ging auf allen vieren, die Wolfsläufe waren ihm hier lieber als die Bocksbeine. Immerhin wußte er, daß dieses Wäldchen das letzte Hindernis vor dem Zielort war; bald würde er ins Freie treten und das Zuhause des obskuren Vogels finden, wenn die Karte stimmte, die seinem Innenohr eincodiert war.
    »Reib Bier bis ...«
    Sie hörten nicht auf, die Lauten, die Schrägen, die Irren.
    Erst hatte er diese kleinen Schreier für Eichhörnchen gehalten, weil sie von Ast zu Ast sprangen, sich in die Rinde krallten, da hockten, ihn narrten. Dann sah er einen davon segeln, fliegen, drei Meter weit, zweieinhalb in der Höhe, die Flügel ausgebreitet, schwarzgefiedert. Endlich erkannte er den schlanken Leib – und hätte fast gelacht, über die rosa Nase und die winzigen Ohren: Silber- und weißgestromt war das Tier, ein Kurzhaar. Die blaue Siam, die so etwas wie die Anführerin zu sein schien, erkannte er als nächstes, die rief »Rot ist alles!«, und aus Gebüschen tuschelten zwei Perserinnen, die weiß leuchteten wie frisch gewaschenes Segeltuch: »Rabenbrut des Todes, schwarzer Gang!«

    »Soll mir das jetzt angst machen?« bellte Dmitri heiser.
    Geflügelte Katzen – wenn je ein kapriziöser Unfug war, dann dieser.
    Dmitri rieb sich den Straßenschmutz der letzten zwei Wanderwochen am Stamm einer Zeder aus dem Fell und dachte: Immerhin war ich gewarnt. Der Vogelfreund des Löwen ist Genetiker, die mögen solche Scherze. Geflügelte Katzen, zum Schreien.
    »He Ritter Hunger!« piepsten die Katzen, immer darauf bedacht, in Rufweite zu bleiben, dem Wolf aber nicht zu nah zu kommen. Sein Kragenfell stellte sich auf, er spuckte auf den Boden. Sie haben recht, ich könnte wirklich mal was futtern. Allerdings keine Flatterkatzen und sicher nichts, was die anbieten, selbst wenn sie Eier legen und mir braten würden.

    »Wo willst du hin, blöder Köter?«Mit krausen Schnurrhaaren, spitz aufgestellten Flügelchen und trotzigem Blick hatte sich dem Wolf ein Drahthaarkätzchen in den Weg gestellt. Es buckelte, zischte und senkte seinen Kopf, um von unten her möglichst bissig hochzugucken. Dmitri fand's vor allem drollig.
    Er beschloß, es mit Verbindlichkeit zu probieren: »Ich will ... zu eurem Chef, nehme ich an. Der euch gemacht hat.«
    »Uns hat keiner gemacht. Und uns macht keiner kaputt«, sagte die Kleine. Ein Grinsen: Die clownesk verzerrten Züge waren unheimlicher, als das Tier selbst zu wissen schien. Gab's hier gleich ein Gerangel mit dem Flederwisch? Aber die Haltung der Katze entspannte sich. Sie hob den Kopf wieder und schnupperte – Duftpost. Die Katze zeigte ihre Zähnchen; wie sie es hinbekam, daß das diesmal nicht bissig, sondern freundlich aussah, fragte sich Dmitri verdutzt. Sie hob das Näschen und sagte: »Fein. Komm mit. Durchs Dörfchen.«
    Dann drehte sie sich um. So fließend war diese Bewegung und so selbstgewiß, daß Dmitri gar nicht anders konnte, als ihr artig zu folgen.
    Das Dörfchen, stellte sich heraus, war diesen Namen nicht wert: Ein paar umgefallene Fassaden, eingeknickte Dächer, verkommene Rasenflächen davor, zwischen kurvig schmalen Straßen. »Zwergensiedlung«, fiel dem Wolf ein, und daß höchstens die Dachse aus

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