Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
diesem Trümmerfeld noch etwas hätten machen können, vielleicht eine Kaserne.
    Das Kätzchen sagte: »Die Schlausten haben hier gewohnt.«
    »Die schlausten was?«
    »Na Menschen«, sagte das Kätzchen und verließ hinter einem flachen Steinbau mit bemoosten Säulen den zusammengewürfelten Parcours.
    »Über zwei Kämme noch«, erläuterte das kleine Wesen.
    Was immer das für ein Distanzmaß war, der Tonfall klang nach weiterer Beschwernis.
    Anderthalb Stunden später hing dem Wolf die Zunge lang zur Schnauze raus. Sein Blick haftete fest am Boden, wo er nach Kraut suchte, aus dem er etwas Flüssigkeit hätte saugen können.
    Vor ihm kratzte etwas, knirschte wie Kiesel.
    Er schaute zu dem Kätzchen hin, das ihn weit hinter sich gelassen hatte; der Abstand betrug jetzt sieben Wolfslängen. Dmitris merkwürdiger Geleitschutz spannte seine Schwingen auf, sprang hoch, sprang noch mal, und wieder, mit jedem Satz ein bißchen weiter. Ein rasches Zusammenklappen der Flügel, wie ein Händeklatschen, dann ein Entfalten, Zittern, und das Tierchen flog.
    »He, wohin?« Einen winzigen Augenblick lang verspürte der Kurier des Löwen Furcht, man könnte ihn ins Nichts geführt haben, oder in eine Falle.
    Da warf die Katze sich schon nach links und stürzte sogleich aus mühelos erreichter, recht großer Höhe wieder auf ihn zu, mit ausgefahrenen Krallen – greift sie mich an? – und rief: »Schau doch, vorn, da ist es schon! Das Labor!« Sie flog einen gestreckten Bogen, sauste über ihn hinweg – zurück zum Wäldchen; und war fort.

    Dmitri schüttelte den Kopf und sah in die Richtung, die ihm angewiesen war.
    Da stand eine der hübschesten Ruinen, die er, der viele davon kannte, je gesehen hatte. Das also war übriggeblieben von der Anlage, die ihm der Löwe drüben, vor Monaten, im Aufriß gezeigt hatte: beige Brocken, eine Fassade voll zwiebeliger Arabesken, ein Turm aus vergessenen, zusammengerosteten Fahrrädern. Ranken und Flechten schäumten um alle Mauern, lichte Höfe öffneten sich zum Himmel hin, eine große Aula lag still, wie schlafend.
    Dmitri beeilte sich; bald stand er vor dem Haupthaus.

    Sollte der Wolf erwartet haben, hier nun von ernsthafteren Leuten als den Flatterkatzen in Empfang genommen zu werden, sah er sich getäuscht. Nur ein paar Grillen zirpten, ein Hase sagte »Hi, Dicker!« und verschwand im Kraut. Also erst einmal alles auskundschaften, abschreiten?
    Seminarräume, aufgeplatzte Vitrinen im rückwärtigen Kasten, Patio, Galerie, ein Ladedock mit eingedellten großen Zylindern und elefantösen, verplombten Metallsärgen, voller wahrscheinlich immer noch giftiger chemischer Abfälle. Aus dem Leim gegangene Gewächshäuser – die Flora hatte sich in die Umgegend ergossen, es sah aus, als fiele Blattwerk aus allen Fensterfronten –, eingestürzte Treppenaufgänge. Das Foyer des Hauptwürfels war wie durch Göttergnade unversehrt geblieben: Geputzt hatte hier seit langem niemand. Westlich der Parkplätze mußte eine Bombe eingeschlagen sein. Im Krater fand sich ein an allen Rändern viel zu perfekt abschüssiger Teich, an einigen uneinsehbaren Stellen bewaldet, mit schwarzglänzendem Wasser. Die Sonne stand jetzt an ihrem höchsten Punkt, die Hitze war lächerlich, der Durst unerträglich.

    »Du kommst vom alten Pelzgesicht, ja«, lachte eine helle, feminine Stimme.
    Der Wolf fuhr zusammen.
    »Nein, trink nur weiter. Du mußt deine Kehle schützen – so heiß es bei euch ist, in der alten Welt, unser Wetter seid ihr dann doch nicht gewohnt, was?«
    Vor ihm im Wasser schwamm eine Frau, die ein Mensch und ein Schwan war.
    Dmitri fielen die Walküren ein, aus dem ersten Film, den er sich mit Clea Dora angesehen hatte: Die streiften ihr Federkleid zum Baden ab. Die Erscheinung legte den wunderschönen Menschenkopf zurück und lachte, daß dem Wolf seltsam wurde. Er schämte sich vor so viel Selbstbewußtsein und sah mit Staunen, wie die dichten weißen Federchen am Kopf und auf den Schultern sich sträubten. Es sah aus wie zerstrubbelt kurzes, weißes Haar. Daunen lagen eng am Körper an, in schleppengleichen Falten, zwischen Armen und Hüften, blitzende Tröpfchen perlten da. Die Spannweite, riet Dmitri, als sie sich aus dem Wasser erhob und feucht glänzend wie eine Venus auf ihn zuwatete, mußte länger sein als sein ganzer Leib.
    »Ich rieche schon, wen du suchst und wer dich schickt. Er hat sich lange nicht bei mir gemeldet.«
    Der Vogel, dachte Dmitri. Das ist der Vogel? Diese

Weitere Kostenlose Bücher