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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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Der Talisman lag kühl und unbeschädigt auf dem Boden. Ich bückte mich und hob ihn auf, und während ich das tat, hörte ich Agnes flüstern: Ich werde immer bei dir sein …
      Helen wischte mit dem Fuß rasch die Kreidestriche weg. Dann drehte sie sich mit geröteten Wangen zu uns um. »Die Elemente haben gesprochen. Erde für Sarah, Wasser für Evie. Ich hatte mir schon so etwas gedacht.« Sie lächelte. »Dann sind wir jetzt also vollständig. Vier Freunde, vier Elemente, vier Ecken des Kreises.«
      »Aber wir sind nur zu dritt«, sagte Sarah.
      »Nein, das sind wir nicht«, sagte ich und hob langsam den Blick. »Vergiss Agnes nicht. Sie steckt hier auch mit drin.«
      Jetzt hatte ich einen Blick in ihre Welt erhascht, und ich wusste, ich würde nie wieder zu dem Mädchen werden können, das ich einst gewesen war.
     

 Sechsundvierzig
 
 
      
      A gnes.
      Ich spürte sie jeden Tag. Sie war an meiner Seite, wenn ich durch die langen, hallenden Korridore von Wyldcliffe schritt. Manchmal war sie so lebendig und wirklich wie irgendeines der anderen Mädchen, manchmal nur ein Schatten, wie ein Seufzer. Ich hatte Angst wegen dem, was Sebastian zu mir gesagt hatte, und auch vor den Dingen, die Helen uns gezeigt hatte. Aber Agnes gab mir irgendwie den Mut, an diesem Ort, der so voller verdrehter Geheimnisse war, weiterzumachen. Sie gab mir sogar die Kraft, mit Celeste fertigzuwerden, die entschlossener denn je zu sein schien, mir Ärger zu machen.
      Während sie im Krankenhaus gelegen hatte, musste sie viel Zeit gehabt haben, denn sie hatte sich einen armseligen Feldzug ausgedacht – alles albernes Zeug, wie zum Beispiel, Seiten aus meinen Schulbüchern herauszureißen, meine Sportsachen zu verstecken oder sonst irgendetwas zu tun, das mir das Leben schwerer machte. Es genügte ihr nicht, dass sie mich einfach nicht mochte; sie wollte, dass auch India und Sophie und all die anderen ihrer Truppe mich hassten. Sophie schien sich unbehaglich zu fühlen, aber sie war zu schwach, um irgendetwas dagegen zu sagen, und so wurde sie schon bald rückfällig, begab sich wieder unter Celestes Kontrolle. Ich wusste, wer meine Freunde waren.
      »Glaubst du wirklich, du schaffst es, dass ich rausgeworfen werde, wenn du dich so kindisch verhältst?«, fragte ich Celeste eines Tages müde, als ich in den Schlafsaal kam und meine Sachen zum dritten Mal in dieser Woche auf dem Boden verteilt vorfand.
      »Darum geht es nicht, Johnson«, erwiderte sie. »Damit wollen wir dich nur ein bisschen aufziehen. Aber es macht trotzdem Spaß.«
      »Du bist krank, Celeste, weißt du das?«
      »Wirklich? Wie nett von dir, mir das zu sagen«, sagte sie gedehnt. Dann lachte sie. »Du wirst dich aber noch viel kränker fühlen, wenn du erst mal deine Sachen packen und von hier verschwinden musst.«
      Ich ging weg, ohne noch ein Wort zu sagen, bevor ich die Beherrschung verlor. Ich durfte keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen; hatte Miss Scratton das nicht irgendwann einmal zu mir gesagt? Ich lief die Marmortreppe hinunter, ohne irgendein konkretes Ziel zu haben – die Ställe, die Bibliothek, es spielte keine Rolle.
      »Auf der Treppe wird nicht gelaufen!«
      Ich blieb stehen und sah mich um. Es war Miss Dalrymple.
      »Wohin bist du so eilig unterwegs?« Sie lächelte und wirkte fröhlich, aber sie musterte mich mit dem starren Blick einer Schlange. Sie trat dichter an mich heran, und plötzlich wurde mir übel. Es war, als würde Licht auf meine Augen drücken, bis ich einen hellen Fleck vor mir schweben sah. Er war wie ein Kreuz geformt … nein, es war eine Art Schwert, und dann, für einen winzigen Moment, sah ich Sebastian wie aus weiter Ferne, sein wundersch?nes Gesicht, das vor Konzentration angespannt war, als er die Luft mit raschen Bewegungen durchschnitt, einen blitzenden, silbernen Dolch in der Hand. Der silberne Dolch ?
      Ich versuchte zu sprechen. »Es tut mir leid.«
      »Vergiss nicht, dass es gefährlich ist, auf der Treppe zu rennen«, sagte sie ungerührt. »Wir wollen doch nicht, dass dir irgendetwas passiert, oder? Wieso bist du so blass, Evie? Ist alles in Ordnung?«
      »Es geht mir gut.«
      »Aber du bist so unordentlich, Liebes.« Ihr Blick wanderte flink an mir auf und ab. »Sorge dafür, dass deine Haare in Zukunft zurückgebunden sind. Und du trägst doch keinen Schmuck, oder?«
      Schmuck. Mein Herz fühlte sich groß und laut in meiner Brust an. Das Blut sang in meinem Kopf.
     

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