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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Mobiltelefon ist alles möglich. Zu der Zeit befand ich mich bereits hier auf Burg Layenfels. Ich wollte dir einen Denkzettel verpassen, vor allem aber wollte ich dich loswerden. Wofür hältst du dich? Denkst du, ich habe nicht das Funkeln in deinen Augen gesehen, als wir uns nach langer Zeit zum ersten Mal wiedersahen? Denkst du, ich wusste nicht, was du dir von deinem Rombesuch versprochen hast? Aber ich habe nicht vergessen, wie du mich verhöhnt hast, als wir noch gemeinsam eine Schulbank drückten. Zugegeben, meine Haare waren gekräuselt, mein Busen nicht das, was man bei einer Siebzehnjährigen erwartet, meine Zahnspange musste ich länger als andere tragen, und für bessere Kleidung war einfach kein Geld da. Aber musstest du mir das alles ins Gesicht sagen? Seit damals habe ich dich gehasst, und ich habe nicht aufgehört, dich zu hassen.«
    »Das wusste ich nicht«, stammelte Malberg. »Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Glaub mir, es ist die Wahrheit! Aber wenn es so war, dann tut es mir leid.«
    »Ja, jetzt auf einmal tut es dir leid, weil du eine Scheißangst hast!«
    »Ja, ich habe Angst. Willst du mich umbringen?«
    »Ich dich umbringen? Nein!«, rief Marlene außer sich. »Du wirst dich selbst umbringen! Drei Schritte zurück, und alles ist vorbei.«
    In einem Anflug von Mut stieß Malberg hervor: »Du bist ja völlig verrückt. Nein, du wirst mich nicht zwingen, da hinunterzuspringen. Schieß doch, schieß!«
    Malberg spürte, wie das Blut in seinen Adern kochte. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte er, wie Marlene drei oder vier Schritte zurücktrat. Keine zwölf Schritte von ihm entfernt blieb sie zwischen zwei Zinnen stehen. Abstand genug, um nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden, wenn sie den Schuss auslöste.
    »Ein letztes Mal. Drei Schritte zurück!«, zischte Marlene. »Du wirst nicht schießen! Und ich werde mich nicht in die Tiefe stürzen!« Im letzten Dämmerlicht bemerkte Malberg, dass sein Auge, der Lauf des Revolvers und Marlenes Auge eine Linie bildeten.
    Da vernahm er, begleitet von einem Pfeifton, einen heftigen Schlag. In seiner Verwirrung glaubte er, er habe den Schuss überhört. Seltsamerweise spürte er gar nichts. Er wartete auf den Schmerz.
    Doch dann sah er, dass Marlene ihre Waffe fortschleuderte und schwankte. Sie drehte sich um sich selbst und drohte zwischen die Zinnen zu stürzen. Starr vor Schreck und unfähig zu begreifen, was eigentlich passierte, bemerkte Malberg den Pfeil, der aus ihrem Rücken ragte. Er sah noch, wie sie kopfüber stürzte. Sekunden später vernahm er einen dumpfen Schlag.
    Marlene?
    Vom Burghof hallten aufgeregte Schreie herauf. Wie benommen trat Malberg zwischen die Zinnen, wo Marlene verschwunden war. Ängstlich klammerte er sich an das Mauerwerk und blickte in die Tiefe.
    Neun Stockwerke unter ihm lag Marlenes zerschmetterter Körper.
    Auf den Treppen, die nach oben führten, näherten sich Schritte. Gruna tauchte aus der Dunkelheit auf. Er trug einen Bogen bei sich. Ein Präzisionsgerät, wie man es bei sportlichen Wettkämpfen sehen konnte.
    »Sie?«, sagte Malberg verwundert.
    Gruna nickte. »Ich habe Sie von gegenüber beobachtet. Zunächst glaubte ich an eine harmlose Auseinandersetzung. Aber durch das Zielfernrohr meines Bogens sah ich, dass das Weib einen Revolver auf Sie gerichtet hielt. Da wusste ich, dass es ernst war.«
    »Das hätten Sie nicht tun dürfen«, murmelte Malberg in sich hinein. »Nein, das hätten Sie nicht tun dürfen.«
    »Es wäre Ihnen also lieber gewesen, wenn
Sie
jetzt tot am Fuße der Burgmauer lägen?«
    Malberg schwankte. »Marlene«, sagte er fassungslos, »Marlene.«
    »Die einzige Frau unter hundert Männern. Das konnte ohnehin nicht gut gehen. Aber Murath hat Anicet das Zugeständnis abgerungen. Der Professor machte seinen Verbleib auf Burg Layenfels, und damit den Fortgang seiner Forschungen, davon abhängig, dass Marlene bleiben durfte. Er lebte mit ihr zusammen.«
    Während Grunas Erläuterungen hielt Malberg die Nase in die Luft.
    Jetzt merkte es auch Gruna: »Brandgeruch!«, stieß er hervor und blickte entsetzt in die Tiefe.
    »Feuer, die Burg brennt«, rief er wie von Sinnen.
    Malberg stolperte zu den Zinnen. Hinter mehreren Fenstern loderten Flammen. Zuerst in dem Gebäudetrakt, der dem Burgfried gegenüber lag. Dann auch in anderen Teilen der trapezförmigen Gebäudeanordnung.
    Wie in Trance verfolgte Malberg das schaurige Schauspiel, ohne auch nur einen Gedanken an die Ursache

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