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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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gerne nach jungen Mädchen um. Selbst nach denen, die imstande sind, sich ihren Lebensunterhalt auf anständige Weise zu verdienen.»
    «Schon gut, schon gut, Herr Gunther. Sie haben ja recht.»
    «Womit?»
    «Mit dem, was Sie gerade gesagt haben», räumte Behlert ein. «Ich habe mich soeben erinnert, wie es war, als man sich noch unterhalten konnte, ohne sich ständig dabei umzusehen, ob man belauscht wird.»
    «Wissen Sie, worin meiner Meinung nach das Problem liegt? Bevor die Nazis die Macht übernommen haben, gab es zwar die Redefreiheit, aber keine Rede war so, dass es sich gelohnt hätte, sie anzuhören.»
     
     
    An jenem Abend besuchte ich eine der Bars im Haus Europa, einem geometrischen Pavillon aus Beton und Glas. Es hatte geregnet, und die Straßen schimmerten dunkel im Licht der Laternen. Die modernen Bürohäuser - Odol, Allianz, Mercedes - ließen mit den hell erleuchteten Fenstern an einen Ozeandampfer denken, der den Atlantik überquerte. Ein Taxi ließ mich in der Nähe des Bugs aussteigen, und ich betrat den Pavillon der Cafe-Bar, um nach einem geeigneten Besatzungsmitglied Ausschau zu halten, das Ilse Szrajbman ersetzen könnte.
    Selbstverständlich hatte ich noch einen Grund, hier zu sein, sonst hätte ich wohl eine so riskante Aufgabe nicht ohne weiteres übernommen. Ich hatte etwas zu tun, während ich mich hier langsam betrank. Etwas Besseres, als mich schuldig am Tod des Polizisten zu fühlen, den ich niedergeschlagen hatte.
    Sein Name war August Krichbaum, und die meisten Zeitungen hatten über den Mord an ihm berichtet und außerdem geschrieben, es habe einen Zeugen gegeben, der mich angeblich beobachtet habe. Glücklicherweise hatte der Zeuge Krichbaums Dahinscheiden aus einem Fenster im obersten Stock des Hotels Deutscher Kaiser beobachtet und von mir nichts außer meinem braunen Hut gesehen. Der Portier hatte mich als einen Mann von vielleicht dreißig Jahren mit Schnurrbart beschrieben - hätte ich einen Schnurrbart getragen, ich hätte ihn spätestens abrasiert, nachdem ich diese Zeilen gelesen hatte. Mein einziger Trost war, dass Krichbaum weder Frau noch Familie hinterließ. Das und die Tatsache, dass er ein ehemaliger sa-Mann und seit 1929 Parteimitglied gewesen war. Trotzdem, ich hatte nicht vorgehabt, ihn zu töten. Durch meinen Schlag hatte sich Krichbaums Blutdruck so stark abgesenkt, dass sein Herz ins Stottern geraten und schließlich stehengeblieben war.
    Wie üblich war der Pavillon voll mit Stenotypistinnen mit Glockenhüten auf dem Kopf. Ich sprach einige von ihnen an, doch nicht eine war so, wie die Gäste des Hotels sich eine Sekretärin vorstellten - obwohl sie sicher prima Diktate aufnehmen und Maschine schreiben konnten. Ich wusste genau, wie so ein Mädchen zu sein hatte, auch wenn Georg Behlert diesen Umstand gern ignorierte: Das Mädchen brauchte ein wenig Glamour. Genau wie das Hotel selbst. Qualität und Effizienz hatten das Adlon zu dem gemacht, was es heute war. Doch weil das Haus eine glamouröse Aura umgab, war es berühmt geworden, und wegen ebenjener Aura waren alle Zimmer stets ausgebucht - ausschließlich von Leuten, die etwas hermachten, Persönlichkeiten. Weshalb sich natürlich auch die eine oder andere zwielichtige Gestalt hierherwagte. Das zu verhindern war meine Aufgabe, der ich, seit Frieda abgereist war, häufig nach dem Abendessen nachging. Nachdem die Nazis sämtliche Sexclubs und Bars geschlossen hatten, deretwegen Berlin damals gleichsam ein Synonym für Laster und sexuelle Entgleisung war, gab es immer noch eine beträchtliche Anzahl an Freudenmädchen, die in den Maisons von Friedrichstadt oder - häufiger - in den Bars und Lobbys der größeren Hotels arbeiteten. Und so verließ ich den Pavillon schließlich und machte mich auf den Heimweg, um im Adlon nach dem Rechten zu sehen.
    Der Portier Carl sah mich aus dem Taxi steigen und kam mir mit einem Schirm entgegen. Er war ziemlich gut mit dem Schirm und einem Lächeln und der Tür und taugte sonst zu herzlich wenig. Nicht gerade das, was ich einen ordentlichen Beruf genannt hätte, doch mit den Trinkgeldern verdiente er mehr als ich. Eine Menge mehr sogar. Frieda hatte den starken Verdacht gehegt, dass Carl Geld von Freudenmädchen nahm, damit er sie in das Hotel ließ, doch weder sie noch ich hatten ihn je überführen oder es beweisen können.
    Flankiert von zwei mächtigen Steinsäulen, jede einzelne so dick wie das Rohr eines Belagerungsgeschützes, blieben Carl und ich für einen

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