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0843 - Tunnel der hungrigen Leichen

0843 - Tunnel der hungrigen Leichen

Titel: 0843 - Tunnel der hungrigen Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Er trat Wasser. Obwohl er es eilig hatte, nahm er sich die Zeit. Orientierung mußte sein.
    Der Mann drehte den Kopf, als er Wasser trat. Er hörte sich selbst keuchen und husten. Die schmutzige Brühe war ihm längst in den Mund gedrungen. Sie schmeckte nach allem möglichen Dreck, nur war für ihn nicht herauszufinden, wonach, und darüber wollte er lieber nicht nachdenken.
    Was aus der Höhe klein aussah, kam ihm so riesig vor. Über Amsterdam lag die Dunkelheit. Sie war wie schwarzer Teer und saugte selbst den Schein der Lichter auf, als wollte sie dem Flüchtling alle Hoffnungen nehmen und ihn auf die große, endgültige Dunkelheit vorbereiten.
    Wellen rollten heran, überspülten ihn. Das Wasser war kalt wie Eis, der Mann drehte sich um, die Tunnelöffnung hinter ihm war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Der Wellenteppich war schwarz, nur hin und wieder schimmerte ein Lichtfleck wie ein bleicher Spiegel.
    Wohin?
    Er sah einen Schatten. Kompakt, etwas unförmig, sich leicht bewegend, genau am gegenüberliegenden Ufer. Rechts davon mündete eine Gracht in den Fluß, die Brücke spannte sich dabei wie ein düsterer Halbmond über das Wasser.
    Er holte Luft.
    Sein Hals schmerzte. Die Stimmbänder hatten gelitten, sie waren rauh geworden. Das Wasser brannte in seinen Augen, die Kälte nahm zu. Sie wollte ihn steif machen. Er wußte nicht, wie lange er sich schon in den kalten Fluten befand. Er war vor dem Grauen geflohen. Ob er ihm entwischt war, konnte er nicht sagen.
    Der Mann hatte sich entschlossen. Seine Überlegungen hatten nur Sekunden gedauert. Er würde dorthin schwimmen, wo sich der Bootskörper auf der Wasserfläche abzeichnete.
    Um diese Zeit fuhr kaum noch ein Boot. Drei Stunden nach Mitternacht kam selbst eine Stadt wie Amsterdam zur Ruhe.
    Der Mann schwamm weiter. Er mußte schnell sein, deshalb wollte er kraulen. Er spürte, wie steif er geworden war. Die Arme und auch die Beine glichen starren Stöcken, aber er durfte über diese Dinge auf keinen Fall nachdenken und sich verrückt machen lassen. Andere Tatsachen waren wichtiger, viel wichtiger. Denn er hatte etwas Fürchterliches entdeckt, das unbedingt gemeldet werden mußte, auch wenn es ihm keiner glauben würde. Doch es entsprach den Tatsachen. Und er mußte Leute finden, die seiner Entdeckung nachgingen.
    Der Mann schwamm. Gegen die Wellen und die Strömung ankämpfend. Er konnte beides nicht berechnen, das Wasser war wild, es gurgelte und schmatzte, es bestand aus unzähligen Eisarmen, die ihn zurückhalten wollten. Die Kondition des Mannes war enorm, und er schaffte es auch, sich gegen die Kälte zu stemmen.
    Das Boot war sein Ziel.
    Wie er es erreichte, war ihm egal, und er würde dann noch einmal einen gewaltigen Kraftakt starten müssen, um an Bord zu klettern. Aus der Distanz gesehen kam ihm die Bordwand unüberwindlich hoch vor.
    Der Himmel war klar. Ein eisiger Wind fegte über das Wasser der Grachten.
    Waren sie noch da? Verfolgten sie ihn? Würden sie ihn wieder in ihre grausame Welt zurückholen wollen, der er mit letzter Kraft entkommen war?
    Der einsame Mann schwamm weiter. Seine Kräfte ließen immer mehr nach, er gab nicht auf.
    Das Boot. Die dunkle Wand. Für ihn war sie die Hoffnung, und er bewegte sich, schaufelte die Arme und auch die Beine durch das Wasser und spürte deutlich, daß seine Kräfte nachließen.
    War es noch zu schaffen?
    Er hörte sich selbst schreien? Der Mann weinte, der Mann kämpfte, er fühlte sich dabei wie ein Stück Treibholz im Wasser. Die schmutzige Flut war überall, sie drückte sich unter seine Kleidung, schwemmte sie hoch. Seine Jacke trug er längst nicht mehr, er hatte sie fortgeschleudert. Die Hose und der Pullover reichten aus, aber das Gewicht der Schuhe zerrte noch an ihm.
    Weiter!
    Kämpfen, gegen die Kälte, gegen die Strömung und auch gegen die heranschwappenden Wellen.
    Der Einsame war nicht mehr in der Lage, seine Umgebung klar wahrzunehmen. Er war ein Gefangener in einem dunklen, nassen und kalten Trichter, umgeben von unzähligen Feinden, und jeder Tropfen konnte da zu einem Mörder werden, der ihn in die Tiefe riß, auf den Grund des Flusses, wo er dann für alle Zeiten ein Grab in Schlamm und Dreck fand.
    Wie weit noch? Wie lange mußte er diese Tortur noch durchhalten? Er wuchtete den Oberkörper hoch, die Augen weit aufgerissen, und das Wasser lief wie ein breiter Vorhang an seinem Gesicht entlang.
    Da war ein Schatten!
    Riesig, gewaltig, sehr hoch. Mein Gott, ich

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