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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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vermissen?», sagte ich und sah ihm direkt in die Augen. «Und was Sie auf den Gedanken bringt, Sie seien bestohlen worden?»
    «Was mich auf den Gedanken bringt? Ich will verdammt sein - nennen Sie mich etwa einen Lügner?»
    «Ganz und gar nicht, Herr Reles. Ich würde nicht im Traum an so etwas denken. Wir nehmen sämtliche Fakten in Augenschein.»
    Reles sah jetzt nicht mehr wütend, sondern verwirrt aus, während er angestrengt darüber nachdachte, ob ich ihn nun beleidigt hatte oder nicht. Ich war mir selbst nicht ganz sicher.
    In der Zwischenzeit hatte Behlert einen Kristallaschenbecher geholt und hielt ihn vor Reles wie ein Messdiener, der einem Priester bei der Kommunion hilft. Die Zigarre, nass und braun, erinnerte an die Hinterlassenschaft eines kleinen Hundes - vielleicht war das der Grund, weshalb Reles keine Lust mehr hatte, sich den Stumpen in den Mund zu stecken. Er schnaubte verstimmt und verscheuchte Behlert mit einer übellaunigen Handbewegung, was mir Gelegenheit verschaffte, die Diamantringe an seinen kleinen, perfekt manikürten, rosigen Fingern zu bemerken.
    Behlert stand zwischen mir und Reles, und ich rechnete halb damit, dass er uns die Ringregeln erklärte. Ich mochte großmäulige Amerikaner nicht besonders, selbst wenn sie dabei perfektes Deutsch redeten, und außerhalb des Hotels hätte ich mich wohl dazu hinreißen lassen, ihm das sehr deutlich zu verstehen zu geben.
    «Was machen Sie überhaupt hier?», fragte mich Reles. «Los, raus mit der Sprache. Sie sind zu jung für einen Hausdetektiv. Das ist ein Job für einen Cop in Rente, nicht für einen Jungspund wie Sie. Es sei denn, Sie sind ein Commie. Die Nazis wollen keine Kommunisten als Cops. Ich mag sie offen gestanden selbst nicht.»
    «Ich würde wohl kaum hier arbeiten, wenn ich ein Roter wäre, Herr Reles. Die Floristin des Hotels würde es nicht zulassen. Sie mag nämlich Weiß lieber - genau wie ich. Abgesehen davon ist es nicht meine Lebensgeschichte, die jetzt interessiert, sondern Ihre. Also versuchen wir doch, uns darauf zu konzentrieren, was meinen Sie? Ich sehe, dass Sie aufgebracht sind. Selbst Helen Keller könnte das sehen, nur bringt uns das nichts. Solange wir nicht ruhig bleiben und rational überlegen, was hier passiert ist, kommen wir nicht einen Schritt weiter.»
    Reles grinste und riss die Zigarre wieder an sich, als Behlert den Aschenbecher gerade wegtragen wollte. «Helen Keller, wie?» Er kicherte und steckte sich die Zigarre in den Mund, um daran zu paffen, bis sie erneut glühte. Der Tabak schien ihm endgültig die Laune zu verderben, und er sah mich verärgert an. Er deutete auf eine Schubladenkommode. Wie die meisten Möbel in der Suite war auch die Kommode helles Biedermeier und sah aus, als wäre sie mit Honig glasiert worden.
    «Auf dieser Kommode hatte ich ein kleines chinesisches Kästchen aus geflochtenem, lackiertem Korb stehen. Es stammt aus dem frühen siebzehnten Jahrhundert, Ming-Dynastie, und ist sehr wertvoll. Ich hatte das Kästchen eingepackt und wollte es an einen Empfänger in den Vereinigten Staaten schicken. Ich weiß nicht genau, wann das Paket verschwunden ist. Vielleicht gestern. Vielleicht auch schon vorgestern.»
    «Wie groß war dieses Kästchen?»
    «Etwa zwanzig Zoll lang, einen Fuß breit und vier Zoll hoch.»
    Ich versuchte die Maßangaben in metrische Größen umzurechnen und scheiterte.
    «Der Deckel ist mit einem unverwechselbaren Motiv bemalt. Eine Reihe von chinesischen Mandarins, die am Ufer eines Sees sitzen.»
    «Sammeln Sie chinesische Kunst, Herr Reles?»
    «Verdammt, nein! Das ist mir zu ... chinesisch. Ich ziehe unsere heimische Kunst eindeutig vor.»
    «Da dieses Kästchen bereits eingepackt war - halten Sie es für möglich, dass Sie den Concierge gebeten haben, es abholen zu lassen, und es dann vergessen haben? Manchmal sind wir effizienter, als uns guttut.»
    «Effizienter? Nein, gewiss nicht», sagte Reles.
    «Wenn Sie meine Frage beantworten könnten, bitte.»
    «Sie sind ein ehemaliger Cop, habe ich recht?» Reles seufzte und strich sich mit der flachen Hand das Haar nach hinten, als wollte er kontrollieren, ob es noch da war. Es war noch da, wenngleich nur noch wenig. «Ich habe es nachgeprüft, ja? Niemand hat mein Paket aufgegeben.»
    «Dann habe ich noch eine weitere Frage an Sie, mein Herr. Wer sonst außer Ihnen hat Zugang zu Ihrer Suite? Es könnte jemand mit einem eigenen Schlüssel gewesen sein. Oder jemand, den Sie selbst nach oben eingeladen

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