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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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es wohl auch bleiben, solange Hitler auf seiner Oberlippe eine schwarze Briefmarke trug. Ich fragte mich häufig, ob jemals irgendjemand gewagt hatte, Hitler zu fragen, ob er mal als Gasschnüffler gearbeitet hatte, denn genauso sah er aus. Manchmal konnte man diese Männer sehen, wie sie lange Rohre in aufgerissene Straßen verlegten und dann an den Enden nach entweichendem Gas schnüffelten. Sie hatten alle die gleichen verräterischen Flecken auf der Oberlippe.
    «Guten Tag, Herr Kommissar», begrüßte mich der Wurst-Maxe. «Ich hab Sie seit einer Weile nicht mehr gesehen.» Der große Behälter aus Edelstahl, den er an einem Lederriemen um den Hals trug, sah aus wie ein dampfbetriebenes Akkordeon.
    «Ich war eine Weile nicht mehr da. Scheint, als hätte ich irgendwas Falsches gegessen.»
    «Sehr witzig, Herr Kommissar, wirklich sehr witzig.»
    «Das kannst du laut sagen, Bernie», fiel eine Stimme ein. «Wir haben mehr als genug Würstchen am Alex, aber Witze macht hier keiner.»
    Ich blickte mich um und sah Otto Trettin durch die Eingangshalle kommen.
    «Was zur Hölle wollen Sie hier?», fragte er mich verwundert. «Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie wären auch eins von diesen Märzveilchen, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen.»
    «Ich bin hier, weil ich eine Straftat im Adlon anzeigen möchte.»
    «Die größte Straftat im Adlon ist der Preis, den man dort für einen Teller Würstchen verlangt. Stimmt's, Max?»
    «Und ob, Herr Trettin.»
    «Anschließend», fuhr ich fort, «anschließend wollte ich Sie eigentlich zu einem Bier einladen.»
    «Zuerst das Bier», sagte Trettin. «Dann die Anzeige.»
    Wir überquerten die Straße und gingen ins Zum, im Gewölbe der S-Bahn-Station. Es war ein beliebter Treffpunkt bei den Polizisten, weil es wegen der alle paar Minuten über uns hinwegrumpelnden Züge schwierig war, jemanden zu belauschen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie wichtig dies für Otto Trettin war - schließlich wusste jeder, dass er seine Spesen manipulierte und auch sonst nichts anbrennen ließ. Er war trotzdem ein guter Polizist, einer der besten am Alex aus den Tagen vor der großen Säuberung, und obwohl er kein Parteimitglied war, schienen die Nazis ihn zu mögen. Otto war schon immer ein wenig impulsiv gewesen; er war es gewesen, der die berüchtigten Brüder Sass eigenhändig nach Strich und Faden vermöbelt hatte, zur damaligen Zeit ein ernster Verstoß gegen die Dienstvorschriften, auch wenn sie es zweifellos verdient hatten. Zweifellos hatte ihm das auch die Gunst der neuen Regierung eingebracht. Die Nazis hatten nichts gegen eine etwas rauere Form von Justiz. In dieser Hinsicht war es schon ein wenig überraschend, dass ich nicht selbst für sie arbeitete.
    «Ich nehme einen Landwehr Top», sagte Trettin.
    «Bringen Sie uns zwei», sagte ich zum Kellner.
    Benannt nach einem berühmten Kanal Berlins, auf dessen Wasseroberfläche häufig eine dicke Schicht Öl schimmerte, war ein Landwehr Top ein Bier mit einem Branntwein darin. Wir kippten das Zeug hinunter und bestellten eine neue Runde.
    «Sie machen's mir schwer, Gunther», sagte Otto. «Seit Sie weg sind, habe ich niemanden mehr, mit dem ich reden kann. Niemanden, dem ich trauen kann.»
    «Was ist mit Ihrem geliebten Koautor Liebermann?»
    Trettin und Erich Liebermann von Sonnenberg hatten im vergangenen Jahr gemeinsam ein Buch veröffentlicht, Kriminalfälle, ein paar Geschichten, zusammengeschrieben aus den ältesten Akten der Berliner Kripo. Trotzdem zweifelte niemand daran, dass die beiden Geld damit gemacht hatten. Spesenmanipulation, falsche Abrechnung von Überstunden, der eine oder andere Geldschein hinter dem Rücken und jetzt auch noch ein Buch, das bereits ins Englische übersetzt worden war - Otto Trettin schien stets ganz genau zu wissen, wie man zu Geld kam.
    «Erich? Wir sehen uns nicht mehr so oft, nachdem er zum Chef der Berliner Kripo ernannt wurde. Er trägt die Nase hoch, verstehen Sie? Sie haben mich in der Tinte sitzenlassen, Gunther, wissen Sie das?»
    «Tut mir kein Stück leid für Sie - nicht, nachdem ich Ihr lausiges Buch gelesen habe. Sie haben einen meiner Fälle abgeschrieben und mich nicht mal erwähnt dabei. Sie haben von Bachmann die Lorbeeren dafür überlassen. Ich hätte es ja verstanden, wenn er ein Nazi wäre. Aber er ist keiner.»
    «Er hat mich dafür bezahlt. Hundert Mark, damit ich ihn gut aussehen lasse.»
    «Sie machen Witze!»
    «Ganz und gar nicht. Nicht, dass es jetzt noch eine Rolle

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