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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Ku'damm. Und davor habe ich das Abitur gemacht.»
    Wir erreichten die Eingangshalle, wo der neue Empfangschef uns misstrauisch beäugte. Ich dirigierte die junge Frau eine weitere Treppe hinunter in den Keller.
    «Ich dachte, Sie wollen mich rauswerfen?», sagte sie und sah sich nach der Eingangstür um.
    Ich antwortete nicht. Ich dachte nach. Ich dachte: warum nicht Ilse Szrajbman durch diese junge Frau ersetzen? Sie sah gut aus, war gut gekleidet, sympathisch, intelligent und eigenen Angaben nach überdies noch eine gute Stenotypistin. Eine Behauptung, die leicht zu überprüfen war - dazu musste ich nicht mehr tun als sie hinter eine Schreibmaschine setzen. Außerdem, so sagte ich mir, hätte ich die junge Frau durchaus auch im Europahaus auftreiben und ihr die Stelle anbieten können - ohne zu wissen, auf welche Weise sie sich hin und wieder ein Zubrot verdiente.
    «Haben Sie Vorstrafen?»
    Die meisten Deutschen hielten Huren nur für Kriminelle, doch ich hatte genug Freudenmädchen im Leben kennengelernt, um zu wissen, dass viele von ihnen alles andere waren als kriminell. Häufig waren sie kultiviert, umsichtig und klug. Abgesehen davon war die junge Frau nicht gerade ein Backfisch. Sie wusste sich in einem Hotel wie dem Adlon zu bewegen. Sie war keine Dame, doch es fiel ihr nicht schwer, sich als eine auszugeben, sollte es nötig sein. «Ich? Bis jetzt nicht, nein.»
    Und doch. Meine Instinkte und meine Erfahrung als Polizist sagten mir, ihr nicht zu vertrauen. Andererseits sagten mir meine jüngsten Erfahrungen als Deutscher, überhaupt niemandem mehr zu vertrauen.
    «Schön. Gehen wir in mein Büro. Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.»
    Sie blieb auf der Treppe stehen. «Ich bin keine Suppenküche, mein Herr.»
    «Seien Sie unbesorgt, ich habe nichts dergleichen im Sinn. Abgesehen davon bin ich Romantiker. Ich will mindestens ein gemeinsames Essen in einem schicken Restaurant. Ich will Blumen und Champagner und eine Schachtel Pralinen von Hövel. Und dann, wenn ich die Dame mag, lasse ich mich von ihr zum Einkaufen bei Gerson mitnehmen. Allerdings muss ich Sie warnen - es dauert eine Weile, bevor ich mich sicher genug fühle, um mit Ihnen ein Wochenende in Baden-Baden zu verbringen.»
    «Sie haben einen kostspieligen Geschmack, Herr... ?»
    «Gunther. Bernie Gunther.»
    «Aber das gefällt mir. Passt zu meinem.»
    «Ich hatte ein Gefühl, als wäre es so.»
    Wir gingen in das Büro des Hausdetektivs, ein fensterloses Zimmer mit einem Feldbett, einem kalten Ofen, einem Stuhl, einem Schreibtisch davor und einem Waschbecken. Auf einem Regal über dem Waschbecken standen ein Rasierer und eine Seifenschale, außerdem gab es ein Bügelbrett und ein Bügeleisen, sodass man ein Hemd aufbügeln konnte, um halbwegs respektabel auszusehen. Fritz Muller, der andere Hausdetektiv, hatte seinen starken Schweißgeruch hinterlassen, doch der Gestank nach Zigaretten und Langeweile stammte ganz allein von mir. Sie rümpfte angewidert die Nase.
    «So also sieht das Leben im Keller aus, ja? Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, Herr Gunther, aber angesichts des Standards im Hotel ist es hier drin schlichtweg schäbig.»
    «Angesichts des Standards im Hotel ist auch das Charlottenburger Schloss schäbig. Wenn wir jetzt zu meinem Vorschlag kommen könnten, Fräulein ... ?»
    «Bauer. Dora Bauer.»
    «Ihr richtiger Name?»
    «Es würde Ihnen kaum gefallen, wenn ich Ihnen einen anderen nenne.»
    «Und das können Sie beweisen.» «Wir sind in Deutschland.»
    Sie öffnete ihre Handtasche und nahm mehrere Dokumente hervor. Eines, ein kleines Büchlein, war in rotes Schweinsleder eingeschlagen. «Sie sind Parteimitglied?»
    «In meinem Beruf ist es ratsam, im Besitz solcher Papiere zu sein. Damit werden mir keine unangenehmen Fragen gestellt. Die meisten Polizisten lassen mich in Ruhe, sobald sie das Parteibuch sehen.»
    «Daran zweifle ich nicht eine Sekunde. Wozu ist der gelbe Ausweis?»
    «Mein Mitgliedsausweis für die Staatliche Schauspielervereinigung. Wenn ich nicht als Stenotypistin arbeite oder auf den Strich gehe, bin ich nämlich Schauspielerin. Ich dachte, wenn ich in der Partei bin, bekomme ich ein paar anständige Rollen. Bis jetzt: Fehlanzeige. Mein letzter Auftritt war in Die Büchse der Pandora an den Kammerspielen in der Schumannstraße. Ich habe die Lulu gespielt. Das war vor drei Jahren. Seither tippe ich für Herrn Weiß bei Odol und träume von einer besseren Zukunft. Wie lautet jetzt Ihr

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