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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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mich niemand irgendwohin. Ich fahre selbst. Ich ziehe es vor, selbst zu entscheiden, wann ich losfahre und wann ich halte. Aber bei dir ist es mir völlig egal. Ich würde nicht einmal dann Einwände haben, wenn du uns bis nach China und wieder zurück fahren würdest.»
    «China? Ich wäre schon zufrieden, wenn du für eine Weile in Berlin bleiben würdest.»
    «Und was hindert mich daran?»
    «Vielleicht Mr. Nick Charalambides. Oder dein Zeitungsartikel. Oder das hier: dass Isaac Deutsch meiner Meinung nach überhaupt nicht ermordet wurde. Dass sein Tod ein Unfall war. Niemand hat ihn ertränkt. Er ist allein ertrunken. Ohne Zutun, hier, mitten im Zentrum von Berlin. Ich weiß, die Geschichte wäre interessanter, wenn er ermordet worden wäre, aber was kann ich daran ändern?»
    «Verdammt.»
    «Genau.»
    Für einen Moment dachte ich an Richard Börner und seine Enttäuschung, als wir herausgefunden hatten, dass Isaac Deutsch ein Jude gewesen war. Und hier saß Noreen Charalambides neben mir und war enttäuscht, dass der arme Kerl nicht ermordet worden war. Was war das für eine bescheuerte Welt.
    «Bist du sicher?»
    «Ich glaube, es ist Folgendes passiert. Nachdem er von den Nazis gezwungen worden war, seine Laufbahn als Boxer zu beenden, nahmen Isaac Deutsch und sein Onkel eine Arbeit auf der Olympiabaustelle an, trotz der offiziellen Politik, nach der nur arische Bauarbeiter eingestellt werden dürfen. Angesichts der vielen Arbeiten, die vor dem Start der Olympiade 1936 noch zu erledigen sind, hat wohl jemand beschlossen, ein Auge zuzudrücken. Und zwar nicht nur, was den rassischen Hintergrund der Bauarbeiter angeht. Sondern auch ihre Sicherheit auf der Baustelle betrifft. Isaac Deutsch hatte wahrscheinlich bei irgendeiner Grabung zu tun. Er muss eine jener unterirdischen Wasserkammern durchstoßen haben, von denen Blitz uns erzählt hat. Es gab einen Unfall, und Deutsch ertrank im Salzwasser, nur wusste niemand, dass es Salzwasser war. Irgendjemand nahm an, es wäre wohl am besten, wenn seine Leiche weit weg von Pichelsberg gefunden würde. Für den Fall, dass irgendein neugieriger Schmiermichel anfing, Fragen über illegale jüdische Arbeiter zu stellen. Weswegen der Tote auf der anderen Seite von Berlin in einem Süßwasserkanal landete.»
    Noreen suchte in ihrem leeren Zigarettenetui nach etwas Rauchbarem. «Verdammt», sagte sie ein weiteres Mal.
    Ich gab ihr meine Zigarette. «Ich bedaure es selbst, Noreen - aber unsere kleine Ermittlung ist vorüber. Wie gern würde ich diese Geschichte hinauszögern und dich noch länger durch Berlin kutschieren. Aber ich denke, Ehrlichkeit währt am längsten. Insbesondere angesichts der fehlenden Übung, die ich auf diesem Gebiet in letzter Zeit habe, bei der einen oder anderen Sache.»
    Sie zündete sich die Zigarette an und starrte aus dem Fenster. Wir erreichten Steglitz.
    «Fahr rechts ran», sagte sie unvermittelt.
    «Was?»
    «Fahr rechts ran, habe ich gesagt.»
    Ich hielt an der Ecke Schlossstraße, bei der Stadthalle, und wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, weil ich dachte, ich wäre ihr vielleicht zu nahe getreten. Noch bevor ich den Motor abgeschaltet hatte, war sie aus dem Wagen gesprungen und ging rasch die Straße hinunter in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ich folgte ihr.
    «Es tut mir leid», sagte ich. «Aber es gibt immer noch eine Geschichte, über die du schreiben kannst. Vielleicht suchen wir den Onkel von Isaac Deutsch, diesen Joseph - der Bursche war sein Trainer. Vielleicht redet er. Du könntest seine Geschichte aufschreiben. Das wäre ein guter Ansatz. Dass es Juden nicht gestattet ist, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, aber dass einer, der eine illegale Arbeit an der Stadionbaustelle hatte, tot aufgefunden wurde. Das könnte eine großartige Geschichte werden.»
    Noreen schien mir überhaupt nicht zuzuhören. Und ich war mehr als entsetzt, als ich sah, dass sie auf eine große Gruppe von sa-und SS-Leuten zusteuerte, die einen Mann und eine Frau in ziviler Kleidung umringt hatten. Die Frau war blond und Mitte zwanzig, der Mann war älter und Jude. Ich wusste, dass er Jude war, weil er genau wie sie - ein Schild um den Hals trug. Auf dem Schild des Mannes stand: ich bin ein dreckiger jude, der deutsche Mädchen mit auf sein zimmer nimmt. Auf dem Schild des Mädchens stand:
    ich schlafe mit einem judenschwein.
    Bevor ich sie daran hindern konnte, schnippte Noreen ihre Zigarette weg, nahm ihre Baby Brownie aus der großen

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