Die Adlon - Verschwoerung
ein Durchschlag. Was bedeutet, dass der originale Brief von der Stenotypistin des Adlon getippt wurde, in der Suite von Max Reles. Die Aufträge dürfen nur an deutsche Firmen vergeben werden. Max Reles ist Amerikaner.»
«Vielleicht hat er die Firmen gekauft?»
«Vielleicht. Ich schätze, genügend Geld dafür hat er. Wahrscheinlich war er deswegen in Zürich, bevor er nach Deutschland gekommen ist. Er hat einen Seesack in einem Versteck in seiner Suite mit vielen tausend Dollars und Schweizer Goldfranken. Sowie einer Maschinenpistole. Selbst in Deutschland braucht man heutzutage keine Maschinenpistole, um eine Firma zu führen. Es sei denn, man hat ernste Probleme mit der Arbeiterschaft.»
«Ich muss darüber nachdenken.»
«Das müssen wir beide. Ich habe das Gefühl, wir schlittern da in eine Sache rein, die uns Kopf und Kragen kosten kann, und ich hänge an meinem Kopf. Ich erwähne das nur, weil wir in diesem Land wieder das Fallbeil eingeführt haben, und nicht nur gewöhnliche Kriminelle kriegen die Totalrasur. Auch Kommunisten und Republikaner und wahrscheinlich jeder, den die neue Regierung nicht mag. Hör zu, du wirst kein Wort von alledem gegenüber diesem von Tschammer und Osten erwähnen, ja?»
«Nein. Selbstverständlich nicht. Ich bin noch nicht bereit, mich jetzt schon des Landes verweisen zu lassen. Erst recht nicht seit vergangener Nacht.»
«Ich freue mich, das zu hören.»
«Wo ich gerade über Max Reles nachdenke - die Idee, die du eben hattest. Nach dem Onkel von Isaac Deutsch zu suchen und die Geschichte über ihn zu erzählen. Ich glaube, das ist eine gute Idee.»
«Das habe ich doch nur gesagt, um dich wieder in den Wagen zu locken.»
«Schön, ich bin wieder im Wagen, und es ist immer noch eine gute Idee.»
«Ich bin da nicht so sicher. Angenommen, du schreibst über Juden, die beim Bau des Olympiastadions helfen. Vielleicht verlieren als Ergebnis dieses Artikels alle Juden dort ihre Arbeit. Und was soll dann aus ihnen werden? Wie sollen sie ihre Familien ernähren? Es könnte sogar sein, dass einige von ihnen in Konzentrationslagern enden. Hast du darüber nachgedacht?»
«Selbstverständlich. Für wen hältst du mich? Ich bin selbst Jüdin, schon vergessen? Ich denke immer an die Konsequenzen, die sich aus dem ergeben könnten, was ich schreibe. Hör zu, Bernie, ich sage dir, wie ich das sehe: Es steht viel mehr auf dem Spiel. Es geht nicht darum, dass ein paar hundert Leute ihre Arbeit verlieren. Die Vereinigten Staaten sind mit großem Abstand die wichtigste Nation bei Olympischen Spielen. In Los Angeles haben wir einundvierzig Goldmedaillen gewonnen, mehr als jedes andere Land. Italien, an der zweiten Stelle, hatte nur zwölf. Eine Olympiade ohne Amerika wäre bedeutungslos. Deswegen ist ein Boykott so verdammt wichtig! Wenn die Spiele nicht in Deutschland abgehalten werden, wäre das ein schwerer Schlag für die Nazis, und ihr Prestige bei der eigenen Bevölkerung wäre erst mal dahin. Ganz zu schweigen davon, dass man der Jugend Deutschlands auf diese Weise vor Augen führen könnte, was es mit der Nazi-Doktrin wirklich auf sich hat. Das muss einfach wichtiger sein als die Frage, wie ein paar hundert Juden ihre Familien ernähren sollen. Stimmst du mir nicht zu?»
«Vielleicht. Aber wenn wir zum Pichelsberg fahren, um Fragen nach Isaac Deutsch zu stellen, stehen wir vielleicht vor genau den Personen, die ihn in den Kanal geworfen haben. Sie mögen es vielleicht nicht so gerne, wenn du darüber schreibst. Selbst wenn der Artikel in einer New Yorker Zeitung erscheint. Joseph Deutsch zu suchen könnte genauso gefährlich sein, wie Max Reles zu verdächtigen.»
«Du bist Detektiv, Bernie. Ein Polizist. Ich hätte gedacht, dass Gefahr zur Arbeit gehört.»
«Durchaus. Aber das macht mich nicht kugelsicher. Abgesehen davon, wenn du längst zurück in New York bist und deinen Pulitzerpreis einsammelst, bin ich immer noch hier. Hoffe ich zumindest. Wenn ich nicht wie Isaac Deutsch mit dem Gesicht nach unten im Kanal treibe.»
«Ist es eine Frage von Geld?»
«Angesichts dessen, was gestern Abend passiert ist, könnte ich antworten, dass es nicht um Geld geht. Gleichzeitig muss ich jedoch einräumen, dass Geld immer ein wichtiger Faktor ist.»
«Geld redet, wie, Gunther?»
«Manchmal habe ich das Gefühl, dass du einfach nicht die Klappe halten kannst. Ich bin Hoteldetektiv, weil ich keine andere Wahl habe, Noreen, nicht, weil es mir Spaß macht. Ich bin pleite, Engelchen.
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