Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
deprimiert gewesen ist. Sie gehen davon aus, dass er sich umgebracht hat.«
    »Du hast ihnen doch hoffentlich von seiner Zockerei erzählt?«, sagte Rainer eilfertig.
    »Dazu bestand kein Grund.«
    »Aber wieso denn nicht, Mutter? Natürlich bestand einer, denn womöglich hat ihm irgend so ein Zocker aufgelauert, du kennst doch diese Leute aus dem Fernsehen, und jetzt liegt er irgendwo mit einem Messer im Bauch im Gebüsch.« (Rainer kam nun richtig in Fahrt. Sein Verhältnis zu Janek war stets unterkühlt geblieben. Seiner Ansicht nach war Janek ein Schmarotzer, der auf Kosten seiner Schwiegermutter lebte.)
    »Bitte, Rainer, mäßige dich, hörst du! Dass er hin und wieder auf der Rennbahn war, heißt noch lange nicht, dass Janek ein Spieler war. Außerdem, es regt sich ja auch niemand darüber auf, dass du zum Skatspielen gehst, oder?«
    »Ach komm, nun mach dir doch nichts vor«, sagte Rainer und lachte überlegen. »Janek war ein Zocker, wie er im Buche steht, ein Hasardeur durch und durch. Der konnte doch an keinem Spieltisch vorbei, ohne dass ihm das Messer in der Tasche aufgegangen ist. Und lass bitte meine Skatturniere aus dem Spiel, ja, sei so lieb.«
    »Wie redest du denn von meinem Lebensgefährten, Rainer?«, echauffierte sie sich nun ihrerseits. »Noch hat man seinen Leichnam nicht gefunden! Und überhaupt, kümmere dich lieber darum, dass das mit Ulrike wieder in Ordnung kommt. Wir haben im Moment weiß Gott andere Sorgen.«
    »Also ich meine ja nur, Mutter, versteh mich bitte nicht falsch«, ruderte Rainer plötzlich zurück. »Aber du musst doch selbst zugeben, dass nie so ganz klar war, wo und mit wemJanek seine Zeit verbracht hat. Der hat das Geld, wenn er überhaupt mal welches hatte, ja nun wirklich sofort wieder mit vollen Händen rausgeschmissen.«
    »Wer behauptet so etwas?«, sagte Johanna.
    »Ulrike, wenn du es genau wissen willst, Mutter!«, sagte Rainer sogleich triumphierend. (Und er spürte, wie ihn eine tiefe Genugtuung durchrieselte.)
    »So, tut sie das«, sagte Johanna pikiert. »Na, schön. Dann sag ihr, sollte sie dir zufällig mal wieder über den Weg laufen, dass sie sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern soll! Mit einem schönen Gruß von mir!« Dann legte sie auf (wobei ihr einfiel, dass sie ganz vergessen hatte, Rainer von dem geplanten Zusammentreffen zu erzählen und ihn und Ulrike einzuladen. Sie würde warten, bis ihr Schwiegersohn wieder bei Sinnen war, oder, noch besser, es ihrer flüchtigen Tochter direkt übermitteln). Sie dachte erzürnt: Was fällt diesem aufgeblasenen Wicht eigentlich ein, so zu reden.
    Sie lief ins Wohnzimmer, nahm, wie so oft in diesen Tagen, die Fernet-Menta-Flasche und ein Schnapsgläschen aus dem Buffet, goss es randvoll und kippte die sämige grünbraune Flüssigkeit auf einen Zug hinunter. Im selben Moment hörte sie Geräusche im Treppenhaus, Stimmen, die näher kamen.
    Johanna hielt inne, leckte sich die Menta-Reste aus den Mundwinkeln und stellte das Glas lautlos ab. Dann öffnete sie die Tür zu Bens ehemaligem Zimmer (im Glasschrank standen neben Fotos, die Helmut in Aktion auf dem Tennisplatz zeigten, fein säuberlich aufgereiht seine Zinnbecher und Pokale, die er als Jugendlicher gewonnen hatte), lief auf Zehenspitzen zur gegenüberliegenden Tür (die unmittelbar ans Treppenhaus angrenzte) und horchte mit angehaltenem Atem und vorgeschobenem, dabei leicht schief gelegtem Kopf auf das, was draußen gesprochen wurde.
    Frau Casper unterhielt sich, so viel begriff sie, mit Hans Todenhöfer. Angestrengt versuchte sie, die beiden zu verstehen, drehte sich aber sogleich auf dem Absatz um und lief in die Diele. Dort streifte sie entschlossen ihre Kittelschürze ab, zog ihren Kamelhaarmantel über, schlang sich einen dünnen, blaugrau gemusterten Seidenschal um den Hals und zog ihre Bally-Schuhe an. Anschließend nahm sie ihre Handtasche, lief ins Bad, fuhr sich, vor dem Spiegel stehend, kurz mit dem Stielkamm da und dort durchs Haar und verließ, nachdem sie die Wohnungstür abgeschlossen hatte, an Hedwig Casper und Hans Todenhöfer vorbei, die sie verdutzt ansahen, die Ankergasse.
    Fünfundzwanzig Minuten später stand sie an der Pforte des Hanauer Polizeipräsidiums am Freiheitsplatz und sagte: »Ich möchte zu Hauptkommissar Bellmann!«
    »In welcher Angelegenheit?«, antwortete der uniformierte Beamte und sah sie durch die Glasscheibe seiner Pförtnerloge hindurch, in der sich schemenhaft ihre Umrisse spiegelten,

Weitere Kostenlose Bücher