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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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beizulegen, zu scheinbar unüberbrückbaren Störungen geführt. Von Scheidung sei sogar die Rede gewesen.
    Tags zuvor hatten die beiden keifend im Treppenhaus gestanden, und Johanna war Zeuge des folgenden Dialogs geworden:
    »Wir haben gewonnen, und du hast den Schein verloren, so ein Unglück! Stell dir vor, achttausend Euro!«
    »Ich hab ihn nicht verloren!«
    »Natürlich hast du! Es war die Fünf dabei, meine Glückszahl! Das haben sie im Radio gesagt, und du verschlampst den Schein!«
    »Ich? Du spinnst ja!«
    »Ja, ich weiß noch genau, dass ich ihn dir gegeben habe!Hab ich nicht gesagt, dass was in der Luft lag, als ich den Schein ausgefüllt habe?«
    »Hast du nicht!«
    »Eins, Fünf, Neun, Siebzehn, Zweiundzwanzig! Fünf Richtige! Und du wirfst den Schein weg! Ich hatte schon die ganze Woche so ein Gefühl, dass es diesmal klappt. Aber du wirfst den Schein weg. Weil du nie bei der Sache bist!«
    »Untersteh dich, weiter so mit mir zu reden!«
    »Ach, ist doch wahr! Das schöne Geld. Was hätten wir alles damit anfangen können! Einen neuen Fernseher hätten wir kaufen können. Und eine neue Couch, aber du … ach!«
    »Halt jetzt den Mund!«
    Johanna fühlte sich mit einem Mal wie abgeschnitten von sich selbst. Mürbe gemacht von all den Tiefs und ausgelaugt von ihrem sinnlosen Widerstand dagegen. Einem stillen, gleichwohl entschiedenen Protest gegen den Lauf der Welt, der sie, genau betrachtet, jeden Tag ein bisschen kraftloser, apathischer machte. Und so reichten die ersten, von heftig einsetzenden Böen begleiteten Donnerschläge, die über den nachtschwarzen hessischen Himmel heranrollten wie schwere Eisenkugeln über eine Holzplatte, zunächst nicht wirklich bis an ihr Ohr. Energisch betätigte Johanna mit ihrer rechten Fußspitze den Tippschalter der Stehlampe, so dass augenblicklich deren 60-Watt-Birne aufflammte, sich ihr milchiggelbes Licht in einem Radius von etwa 90 Zentimetern über ihren Schoß ergoss und die feinen hellblauen und weißen Karos der Rätselseite sofort schärfer hervortreten ließ.
    In ihrem Kopf summten die Worte wie Bienen, die um die kräftig duftende Blüte einer Dahlie kreisten und sich nicht dazu entschließen konnten, sich darauf niederzulassen. Bis die Neurotransmitter in einer entlegenen Region ihres Gehirns ihre Arbeit aufnahmen, Johanna den Kugelschreiber energischmit den Fingern umschloss und in ihrer stets leicht angestrengt wirkenden Schrift die drei das Wort »Ass« bildenden Buchstaben in die vertikal angeordneten Kästchen unterhalb des hellblauen, das Wort »Spielkarte« einschließenden Quadrats eintrug.
    Zufrieden atmete sie aus, und keine zehn Minuten später hatte sie bis auf wenige frei gebliebene Felder das heutige Rätsel des »Hanauer Anzeigers« gelöst. »Chemisches Element« mit sechs Buchstaben blieb jedoch ebenso offen wie der »Rheinzufluss östlich von Basel« mit vier.
    Johanna ließ die Zeitung sinken, legte den Kugelschreiber zur Seite und nahm die Brille ab. Seit dem Mittagessen, einer ihr etwas zu scharf geratenen Kartoffelsuppe, die sie erfolglos mit einigen Löffeln Crème fraîche abzumildern versucht hatte, verspürte sie ein leichtes Sodbrennen, als arbeite sich aus der gewundenen Tiefe ihres Magen-Darm-Trakts eine Schar winziger, mit hässlichen Brennhaaren bestückter Larven die Speiseröhre hinauf.
    Erste Regentropfen schlugen wütend gegen die Scheiben, Vorboten eines Unwetters, das, mit aller meteorologischen Entschlossenheit über Hochstadt und Dörnigheim hinwegziehend, auf Kesselstadt zuraste.
    Johanna setzte ihre Brille wieder auf, starrte einen Moment konsterniert auf Janeks leeren Clubsessel, der in einem 30-Grad-Winkel zur Couch postiert war und ihr plötzlich die Leere, die seit knapp zwei Tagen in ihren vier Wänden herrschte, vor Augen führte. Sie hatte nicht die leiseste Erklärung für sein Verschwinden.
    Seit man ihr vor gut zwei Jahren einen Herzschrittmacher eingesetzt hatte, war es aus mit ihrer Ruhe, auch wenn das kleine, von außen mit den Fingern dicht unter der Haut zu ertastende Kästchen über ihrer linken Brust das genaue Gegenteilbewirken sollte. Immerzu war ihr, wenn auch gedämpft, ihr eigener Pulsschlag bewusst. Das ferne Echo ihres sich trotz allen Gleichmaßes unweigerlich auf sein Verstummen zubewegenden Herzens, das ihr, seit sie es in die Hände eines elektronischen Hilfsmittels gelegt hatte, noch zerbrechlicher erschien. Schließlich hatte sie es zuvor im Alleingang zu einem respektablen Alter von

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