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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ausgedacht?«, sagte sie bitter.
    »Ach, hör schon auf!«, rief er und zog seine Hand weg. Er hatte keine Lust zu reden. Und so begann er, den Ausschnitt ihres Kleides so weit nach rechts zu schieben (was sie zunächst wortlos geschehen ließ), bis sich ihre Brust entblößte. Doch damit nicht genug, zerrte er nun ungeniert daran.
    »Was soll denn das?«, rief sie. »Hey, spinnst du?«
    Doch so, als hätte er sie überhaupt nicht gehört, schob er nun ungestüm seine Hand hinein, so dass der Stoff schließlich riss.
    »Scheiße!«, fuhr sie ihn an. »Jetzt ist das Kleid hinüber! Weißt du, was das gekostet hat? Ach, verdammt!«
    Aber er ignorierte sie weiter und drückte nun seinen Mund auf ihre Brust und begann an der Warze zu saugen. Da stieß sie ihn angeekelt von sich weg, sprang auf und lief aus dem Zimmer.
    Kurze Zeit später kehrte sie zurück (sie hatte sich unterdesseneinen meergrünen Trainingsanzug übergezogen), baute sich wie eine Karatekämpferin vor ihm auf und rief mit zitternder Oberlippe: »Raus aus meiner Wohnung! Aber sofort!«
    »Spinnst du jetzt total?«, erwiderte Rainer und süffelte mit aufreizender Langsamkeit an seinem Kelch. »Was ist denn in dich gefahren, Schätzchen? Jetzt beruhige dich mal, okay?«
    »Raus, habe ich gesagt!«, schrie sie nun, griff nach dem Briefbeschwerer, der auf dem Bord neben der Tür stand (eine gusseiserne Amorstatue), und hob ihn drohend in die Höhe. »Raus aus meiner Wohnung! Hau ab, du Arsch!«
    »Du hast sie doch nicht alle!«, maulte er, fischte sein Handy vom Tisch und war daran, sich zu erheben und nach seinen auf dem Boden liegenden Schuhen zu bücken. Doch da hatte sie sie auch schon gepackt und rannte damit in die Diele.
    »Hey, was soll denn das?«, rief er und taumelte hinter ihr her. Aber ehe er es sich versah, hatte sie die Wohnungstür aufgerissen und sein Jackett und seine Schuhe in den dunklen Hausflur geworfen. Und nachdem er entgeistert an ihr vorbeigestürzt war, um sich nach den Schuhen und dem Jackett zu bücken, schlug sie die Tür hinter ihm zu.
    »Miststück!«, zischte er und tastete im Dunkeln mechanisch nach seinen Sachen. Er ließ sich auf den Steinstufen nieder, drückte die Anruftaste des Handys und starrte auf das azurblaue Display, über das die üblichen Rauten und Karos huschten. Dann legte er das Gerät neben sich auf den Boden.
    Sein Herz hämmerte in seiner Brust, und er fror. Langsam zog er sich an, blieb aber weiter gegen die Wand gelehnt sitzen und lauschte auf die Geräusche, die gedämpft aus Ritas Wohnung drangen. Einmal glaubte er, ein Wimmern zu vernehmen.
    Über ihm leuchtete wie ein Stern am nächtlichen Firmament der mattgelbe kreisrunde Druckknopf der Treppenhausbeleuchtung.Doch Rainer machte keine Anstalten, ihn zu betätigen, sondern horchte weiter versteinert in die Stille, die plötzlich etwas Höhnisches bekam.
    »Wenn man nicht mehr weiterkann, muss man zurück!« Einmal hatte er jemanden diesen Satz im Fernsehen sagen hören, und jetzt fiel er ihm wieder ein. Doch wohin sollte er gehen? Nach allem, was geschehen war? Nach Hause vielleicht? In dieses Durcheinander, wo ihn nichts als Kälte und Vorwürfe erwarteten?
    Durch den Spion von Ritas Wohnungstür drang ein hauchfeiner Lichtstrahl ins Treppenhaus. Der Schein glitt durch die Schwärze und brach sich an der gegenüberliegenden Wand, so dass Rainer gut sehen konnte, wie Millionen allerkleinster Staubpartikel darin tanzten wie durch ein Elektronenmikroskop beobachtete Pantoffeltierchen in einem Wassertropfen.
    Sein Magen war übersäuert vom Wein, seine Augen brannten. Doch so allein in der Finsternis, beim Anblick der hellen, schräg in der Schwärze verlaufenden Leuchtspur, die dann und wann gedämpft erklingenden Hausgeräusche im Ohr, fühlte er auf einmal eine große Sanftmut in sich aufsteigen, die Bereitschaft, endlich sehen zu wollen, wie schäbig und lächerlich er sich Rita und auch Ulrike gegenüber die ganze Zeit benommen hatte.
    Ja, er allein war schuld an der anhaltenden Dürre seines Ehelebens. Und plötzlich wurde ihm klar, was zu dieser Dürre geführt hatte. Seine Verlogenheit, seine Einzelgängerei, dieses ganze Parallelleben, das er führte. Mit jedem Fehltritt, den er begangen hatte, hatte ihre Ehe etwas mehr von ihrer Würde verloren. Und er hatte so lange weitergemacht, bis von dieser Würde fast nichts mehr übrig geblieben war.
    Er dachte an Ritas Brüste und wie perfekt sie sie ihm präsentiert hatte, reif und ohne jede Spur

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