Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
mehrere Versuche unsererseits, mit ihr ins Gespräch zu kommen, werden kategorisch abgeblockt. Schriftliche Fragenkataloge lässt Gustl Mollaths frühere Frau unbeantwortet.
Vor der Nürnberger Kriminalpolizei war sie im Januar 2003 auskunftsfreudiger. Bei einer Zeugenvernehmung gibt sie an, sie habe sich im Sommer 2002 von ihrem Mann getrennt und wolle die Scheidung. Als Grund nennt sie sein – angeblich – gewalttätiges Verhalten. In dieser Vernehmung erwähnt sie offenbar auch die Schusswaffen, über die Mollath angeblich verfüge. Sie habe Angst, dass er diese Waffen gegen sie richten könne.
Vier Monate nach der Vernehmung in Nürnberg gibt Frau Mollath im Mai 2003 beim Ermittlungsrichter im Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu Protokoll, der angeblichen Misshandlung im August 2001 – also fast zwei Jahre zuvor – sei kein besonderes Ereignis vorangegangen. Am besagten Tag habe ihr Mann sie plötzlich und ohne Vorwarnung angegriffen. Er habe sich damals geradezu in einen Wahn hineingesteigert. Und dieser Wahn, sinngemäß findet sich das so in den Akten, sehe ungefähr so aus: Die Welt ist schlecht, alle seien schlecht, und sie sei also auch schlecht. Mollath aber wolle die Welt verbessern. Liest man später die psychiatrischen Gutachten über Mollath, dann entfernen sich diese nicht maßgeblich von dieser Arbeitshypothese der damaligen Frau Mollath. Mit anderen Worten: Ihr wird geglaubt, ihm nicht.
Seine Exfrau erzählt der Kripo 2003, sie habe für seine Autogeschäfte finanziell eingestanden und ihn über Wasser gehalten. Darunter soll er gelitten haben. Geradezu hineingesteigert habe er sich in seine missliche Situation. Angeblich, so behauptet es die Frau, habe Mollath seine Aggressionen irgendwann auch auf sie gerichtet, ohne dass ein erkennbarer Grund vorgelegen habe.
Am 3. Juni 2002 bescheinigt ein Attest aus der Praxis einer Nürnberger Allgemeinärztin, dass bei einer Untersuchung von Frau Mollath verschiedene Befunde festgestellt worden seien, die auf eine Gewalteinwirkung hindeuten könnten. Das Attest freilich fußt auf einer Untersuchung, die am 14. August 2001 um 11:30 Uhr in der Nürnberger Praxis durchgeführt worden sein soll – also mehr als ein Dreivierteljahr zuvor.
Diese Untersuchung wiederum bezieht sich auf eine angebliche Tat, die sich am 12. August 2001 – also zwei Tage vor der Untersuchung – zugetragen haben soll. Als Befunde werden festgestellt: Prellmarke und Hämatom an der rechten Schläfe. Großflächige zirkuläre, handbreite Hämatome an beiden Oberarmen. Großflächige, konfluierende Hämatome, zirkulär an beiden Unterschenkeln, fleckförmige Hämatome am linken Oberschenkel und im Bereich des linken Beckenkammes. Außerdem Würgemale am Hals. Und eine Bisswunde am rechten Ellbogen mit Abdruck von Unter- und Oberkiefer. Überdies habe die Patientin, so wird attestiert, über Kopfschmerzen und einen Druckschmerz über den Hämatomen geklagt.
Was damals passiert sein soll, beschreibt Frau Mollath so: Ihr Mann soll sie zu Boden gebracht haben. Er soll sich auf sie gesetzt und sie gewürgt haben. Darüber sei sie bewusstlos geworden. Mollath soll seine Frau auch zwanzig Mal geschlagen haben. Und zwar am ganzen Körper. Und mit der Faust. Auch getreten habe er sie. Mehr als drei Tritte seien es gewesen, sie sollen die untere Körperhälfte der Frau getroffen haben. Am Boden liegend, soll sie ebenfalls Tritte erlitten haben. Nach dem Würgen auf dem Boden sei die Aggression allmählich abgeklungen. So die Version, die Mollaths Frau 2003 in Berlin zu Protokoll gibt. Mollath bestätigt, dass es zu einem Vorfall gekommen ist. Noch mal: »Wir haben uns heftig gestritten, sie will nicht aufhören. Wie schon mal passiert, sie geht auf mich los. Tritte und Schläge. Leider wehre ich mich.«
Am 30. Mai 2002, so hat es Mollath in Erinnerung, dringen seine Frau und zwei weitere Personen in die gemeinsame Wohnung ein. Sie transportieren private Dinge mit einem Lastwagen ab, auch »Kisten mit ihren Geschäftspapieren«. In einem Brief – auch dieser liegt später dem Gericht vor – schreibt Mollath im August 2002, die seelischen Belastungen hätten zu einem Hörsturz geführt. Er leide weiter unter Tinnitus. Er schleppe die Horrorgeschichten, vor allem wegen der Bankgeschäfte seiner Frau, die ganze Zeit mit sich herum. Trotzdem habe er immer Stillschweigen bewahrt und sich niemandem anvertraut. Trotzdem treibe ihn nun die Angst um: Immerhin sei er ja Mitwisser. Und immerhin gebe
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