Die Affen von Cannstatt (German Edition)
sein.
Also reicht es wieder nicht. Ich könnte heulen. Dekompensation. Ich kann meine Stimmungsabstürze nicht ausgleichen. Hätte ich Weber und seine Hyäne doch nie kennengelernt. Und vor allem: Hätte ich Lisa nie mit meinem Pfefferspray traktiert. Dann hätte sie mich nicht so lange verfolgt, bis sie die Verbindung von mir zu Till herausbekam. Egal, ob diese Fotos als entlastend akzeptiert werden, ich bleibe im Spiel. Aber verdammt, ich muss doch meine Unschuld nicht beweisen. Die müssen mir doch beweisen, dass ich es war.
Schätzchen, das ist bewiesen, sagt Lisa sanft. Du bist rechtskräftig verurteilt.
Und was machst du dann hier? Eine kleine Verarschungsstunde für eine hoffnungslos Verurteilte?
Scht!, macht Lisa. Ganz ruhig, mein Herz. Niemand will sich über dich lustig machen. Am wenigsten ich. Es wird neue Ermittlungen geben. Richard hat Meisner so weit. Und wir brauchen die Polizei. Du brauchst sie. Als Privatperson komme ich nicht an den Klarnamen des Kontos von Tibone bei diesem Zoo-Forum heran.
Aber was hilft uns das denn?, frage ich.
Es ist die einzige noch übrige Spur, sagt sie. Übrigens wäre es günstig, wenn du auf deinen Onkel Rauschebart einwirken könntest, dass er vorerst nicht so viel Wind macht. Vor allem nicht an die Presse geht. Noch nicht. Ich würde es zwar tun, aber Richard meint, man soll der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit geben, selbst ein Wiederaufnahmeverfahren zu beantragen, wenn es so weit ist. Das lässt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft in der Sache besser aussehen …
Wie bitte? Diese Gestalten möchten die Staatsanwaltschaft gut aussehen lassen? Und sich selber vermutlich gleich mit. Ich möchte explodieren. Am Ende soll ich ihnen auch noch dankbar sein?
… und würde das Verfahren deutlich beschleunigen, vollendet Lisa. Auf ein paar Wochen kommt es doch jetzt nicht mehr an.
Hast du eine Ahnung.
Sonntag, 12. Januar
Rosemarie sitzt jeden Abend nach der Arbeit auf der Zelle und wälzt Akten. Seit elf Jahren kämpft sie mit allen juristischen Mitteln um Anerkennung ihrer Unschuld. Jetzt hat sie eine Eingabe beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gemacht. Sie ist wegen gemeinschaftlichen Mordes mit ihrem Geliebten an ihrem Mann zu lebenslänglich verurteilt worden.
Ich habe es aber nicht getan, sagt sie. Ich habe auch nichts von den Plänen meines Geliebten gewusst.
Sie hat sich noch nicht aufgegeben, zieht sich immer ordentlich, sogar elegant an, legt Lippenstift auf, zupft sich die Brauen, frisiert ihr Haar mit Haarfestiger, überdeckt die Falten mit Make-up. Typ Chefsekretärin.
Montag, 13. Januar
Freiheit ist, oh Weib, wo du nicht bist, Karl Marx, sagt die Oma. Ich kann es nicht nachprüfen. Und wer will schon bei diesem Sauwetter draußen sein? Ich habe die Unterlagen von der Uni Hagen bekommen. Meine Knastzukunft kann beginnen.
Freitag, 28. Februar
Ich habe Marion, Edda und Fatime weggeschickt, die mich zum Fitness abholen wollten. Jetzt nicht. Ich muss nachdenken. Ich habe meine Zellentür zugemacht. Wo soll ich anfangen? So zittrig bin ich immer noch, dass ich die Tasten des Laptops nicht richtig treffe.
Diesmal waren sie zu viert da: Onkel Gerald, Staatsanwältin Meisner, Oberstaatsanwalt Weber und Lisa. Gerald blickt grimmig drein, kann aber eine gewisse Altherrenrührung nicht verhehlen, Webers schräge Augen glitzern, Meisner lächelt zufrieden, und Lisa ist zappelig und aufgeregt.
Wir haben ihn, mein Herz, sagt sie. Sie redet am schnellsten. Die anderen geben auf und überlassen es ihr, mir alles zu erklären.
Per Gerichtsbeschluss ist der Betreiber des Zoophilie-Forums zur Herausgabe der Zugangsdaten für den Nutzer Tibone verpflichtet worden. Und in der Tat, es ist … es war Tills Account. In dem Forum gibt es wie beispielsweise auch bei Facebook die Möglichkeit, dass sich ein Mitglied über eine Direktnachricht mit einem anderen in Verbindung setzt. Und siehe da. Lisa legt mir Ausdrucke vor. Im August vorvergangenen Jahres schickt Tibone eine Direktnachricht an einen gewissen Ape-Redeemer. Sie lautet: »Ich könnte dir eventuell weiterhelfen. Was willst du denn mit dem Bonobo?« In seiner Antwort behauptet dieser Ape-Redeemer (Affen-Erlöser), er fühle sich der faszinierenden Menschenaffenrasse emotional verbunden und habe sein Leben ihrer Befreiung aus Gefangenschaft gewidmet. Er bietet Till fünfzigtausend Euro für ein Bonobokind unter sechs Jahren an. Till fragt zurück, was er mit dem Tier vorhat, und bekommt zur
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