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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Straße nach draußen herein. Ich weiß nicht, wer der Bedienstete ist, der da gegen Geld Sachen reinschmuggelt. Und wenn ich es wüsste, würde ich es hier nicht sagen.
    Yvonne und ich brauchen das nicht. Wir unterhalten uns, wir liegen nebeneinander auf dem Bett und erzählen uns unser Leben. Und manchmal fummeln wir auch.
Dienstag, 7. Januar
    Ich hatte Besuch. Lisa Nerz. Sie ist allein gekommen. Das geht ja jetzt. Niemand muss mehr meine Besuche genehmigen. Und ich darf mit jedem über mein Verfahren reden.
    Hi, meine Schöne, begrüßt sie mich munter. Sieht aber müde aus. Sie legt mir zuerst ein Päckchen Zigaretten hin, das ich behalten kann. Der Knastzoll. Dann legt sie mir Fotos vor.
    Ein Foto meiner Klasse. Wir stehen zwischen den wuchtigen Pfeilern eines steinernen mittelalterlichen Saals. Kloster Bebenhausen. Ich stehe hinten, halb verdeckt.
    Na, fragt Lisa, was sagst du dazu?
    Ich begreife die Sensation: Da trage ich ja die schwarze Lederjacke. Leider bin ich nur daumennagelgroß zu sehen, und die Jacke ist nur ein schwarzer Fleck. Auf der Vergrößerung, die Lisa mir zeigt, verschwimmt sie in Pixeln.
    Wo hast du das auf einmal her?, frage ich.
    Ich habe halt danach gesucht, antwortet sie. Nachdem dein ziemlich unwirscher Onkel uns mitgeteilt hat, dass seine Kanzlei nach einem solchen Foto von dir in dieser Jacke gefahndet hat, wenn auch vergeblich. Die Kanzlei hat es leider nur mit deiner Abiturklasse versucht. Aber mir hat der ausgesprochen souveräne Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums die Listen deines ganzen Abiturjahrgangs überlassen und die des Jahrgangs davor und danach. Datenschutz hin oder her. Zweihundert Namen mit den Adressen der Elternhäuser. Die habe ich dann alle abgeklappert. Es gibt verdammt wenige Fotos, wo du drauf bist, mein Herz.
    Ich habe eben zu den eher unsichtbaren Menschen gehört.
    Sie lächelt verlegen. Sie schaut mir überhaupt nicht gern in die Augen. Immerhin habe ich zwei Fotos gefunden, fährt sie fort, auf denen du mit dieser Jacke zu sehen bist. Stella Wallisch, geborene Blagojevic, hat sie gemacht.
    Die war einen Jahrgang über mir. Ich erinnere mich an Stella, die kleine Dicke mit den leuchtenden Augen und dem großen Fotoapparat. Sie wollte immer Fotografin werden. Warum sie in Bebenhausen mit dabei war, weiß ich nicht mehr.
    Sie ist inzwischen in Wuppertal verheiratet, zwei Kinder, informiert mich Lisa. Und es war ein Mordsakt, bis ich sie hatte. Ich bin nämlich erst einmal nach Sarajewo gedüst, weil mir eine ihrer Klassenkameradinnen erzählt hatte, sie sei mit ihren Eltern nach Bosnien zurückgekehrt. Das war sie wohl auch, aber dann sind ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und sie ist nach Deutschland zurückgegangen. Sie hat eine Weile auf ihren Datenspeichern gesucht und genau zwei Fotos gefunden.
    Sie zeigt mir das zweite Foto. Auch das stammt aus Bebenhausen. Meine Schulter ragt in das Bild von der Kanzel der Klosterkirche. Deutlich sieht man im Vordergrund die Schulterklappe, ein Stück Kragen und eine abgeschabte Ecke des Ärmels, von mir selbst aber nichts.
    Ich bekomme Herzklopfen.
    Eigentlich Ausschuss, bemerkt Lisa. Ein Wunder, dass Stella es nicht von ihrer Festplatte gelöscht hat. Aber sie hebt alle Fotoserien auf, egal, wie viel Müll darunter ist. Unser Glück.
    Aber man sieht mein Gesicht nicht, wende ich ein. Und auf dem anderen kann man keine Details erkennen.
    Richard meint, antwortet Lisa, auch wenn du auf dem Foto nicht als Person zu identifizieren bist, belegt es im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem anderen Klassenfoto, dass sich diese Lederjacke in deinem Besitz befand. Ein forensischer Vergleich mit der Jacke, die Till getragen hat, sollte möglich sein.
    Ich wage nicht zu atmen.
    Damit wären die Beweismittel der Anklage, die sich auf deine Genspuren am Ort des Geschehens gründen, erheblich in Zweifel gezogen, vollendet sie. Und beachte, Richard spricht nicht mehr von Tatort. Gratuliere, meine Schöne.
    Ich schlucke, obwohl mein Mund trocken ist. Reicht das für eine Wiederaufnahme?
    Die Juristen streiten sich noch, antwortet Lisa. Richard meint zwar, es beweise nicht zwingend, dass du in jener Nacht nicht im Menschenaffenhaus warst, aber es seien jetzt wohl neue Ermittlungen notwendig. Es bleibt vorrangig die Frage zu klären, wer Till die Ladung Pfefferspray verabreicht hat. Denn das Spray wurde am Ort des Geschehens nicht gefunden. Es muss von jemandem wieder mitgenommen worden

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