Die Affen von Cannstatt (German Edition)
Antwort, es solle auf eine Auswilderung im Kongo vorbereitet werden. Ihm stehe ein großes Anwesen in Vorpommern zur Verfügung. Dort werde der junge Bonobo ein Leben fast wie in Freiheit führen.
Hat Till das wirklich geglaubt?, frage ich mich. Oder hat er es vor allem glauben wollen? Egal jetzt.
Nach einigem terminlichen Hin und Her kommt es zu einer Verabredung, und zwar am 8. Dezember um 24 Uhr, Ecke Wilhelmaparkhaus, Rosensteinpark.
Wir wissen natürlich nicht, sagt Meisner freundlich, ob die beiden sich auch getroffen haben, und wir haben auch diesen Ape-Redeemer noch nicht identifiziert. Er hat sich, wie wir rekonstruieren konnten, vor gut einem Jahr aus diesem Forum abgemeldet. Sein Account wurde gelöscht und mit ihm alle personenbezogenen Daten. Falls er die Nacht des 8. Dezember in einem Stuttgarter Hotel verbracht hat, werden wir ihn bald haben. Die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern sind ebenfalls informiert und hören sich nach eigenartigen Tierfarmen um.
Endlich kapiere ich, was sie mir sagen wollen. Und wenn man diesen Mann findet, sage ich, dann … dann hat man Tills … Mörder?
Nein, nicht notwendigerweise seinen Mörder, widerspricht Weber, aber wahrscheinlich einen sehr wichtigen Zeugen.
Nun sitze ich allein auf der Hütte. Es ist tiefe Nacht. Meine Gedanken rasen immer noch. Wenn ich einen zu fassen kriege, erscheint mir jedes Mal völlig klar, was passiert ist. Dann wieder nicht. Es ist in sich so widersprüchlich wie all diese Taten, die ich inzwischen kennengelernt habe und immer noch nicht verstehe.
Dieser Affenerlöser hat Till fünfzigtausend Euro geboten. Dafür hat Till sich der Fiktion hingegeben, er befreie einen Bonobo aus dem grün gekachelten Zoo für ein glückliches Leben im kongolesischen Urwald. Besser konnte es nicht zusammenpassen für den einstigen Anarchoveganer, Tierrechtler und Tierbefreier, der dabei immer auch ein Zoophiler gewesen war. Als ob er nur auf diesen Fremden gewartet hätte, um sich endlich eine junge Bonobofrau zu greifen. Zuletzt wahrmachen, wovon er geträumt hatte seit den Zeiten meiner Bonobostudie.
Kann Liebe – nein, sexuelle Gier – einen wirklich derartig blind machen, so bescheuert? Wie hätte der Affenerlöser einen gestohlenen Bonobo jemals über die Grenzen in den Kongo schaffen können? Mit welcher Tierschutzorganisation denn?
Wie dem auch sei. Sie haben sich am Rosettenfries der finsteren Wilhelma getroffen und sind über den Betriebshof eingestiegen. Einer von beiden hat ein Pfefferspray in der Tasche. Ich vermute, Till. Als Punk ist er einmal auf einem Bahnhof von Nazis zusammengeschlagen worden. Seitdem hatte er fast immer ein Pfefferspray einstecken. Ich habe es ihm nachgemacht.
Außerdem war ihm bekannt, wie gefährlich Affen werden können. Ich habe es ihm oft genug erzählt. Eigentlich hätte Till wissen müssen, dass man den Bonobos nicht einfach ein Kind stehlen kann. Vielleicht glaubte er, sie mit dem Spray kampfunfähig machen zu können. Aber wie wollten sie das Bonobokind dann transportieren? Mokili und Deko waren zu der Zeit fünf Jahre alt und durchaus wehrhaft. Die Männer hätten was dabeihaben müssen, um den Affen zu betäuben. Aber vielleicht hatte ja der Affenerlöser ein Betäubungsmittel mitgebracht. Womöglich war es nicht seine erste Entführung eines Affen aus einem Tierpark.
Es ist tiefer Winter, beide sind warm angezogen, haben Handschuhe an, eine Mütze auf. Vielleicht sind sie sogar mit Skimützen vermummt. Und Till trägt meine alte Jacke.
Warum? Weil die Bonobos und ich für ihn zusammengehören? Weil er hofft, dass die Bonobos wie Hunde meinen Geruch erinnern und sich deshalb weniger aufregen werden? Dabei bin ich doch während der Studie nur ein einziges Mal im Nachtgehegebereich gewesen. Oder ist Till so schlau und bösartig, die Spurensucher der Polizei, die nach dem Einbruch und Diebstahl alles abpinseln werden, mit meinen Genspuren auf eine falsche Fährte führen zu wollen? Kann man sich so etwas ausdenken? Immerhin hatten wir uns am Tag zuvor gestritten, und ich hatte ihn dabei unerwartet tief gekränkt.
Jedenfalls hinterlassen sie beide auf dem Tor und am Fenster zum Affenhaus nur Faserspuren, keine eigenen Genspuren. Ausschließlich meine sind vorhanden, weil das alte Schnupfentaschentuch am Tor aus der Jacke gefallen ist. Wahrscheinlich hat Till hineingegriffen, und es ist rausgerutscht, als er die Hand im Handschuh wieder aus der Tasche gezogen hat. Aber warum steckt er die Hand in die
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