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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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erst ein Jahr gekannt. Inzwischen wusste sie kaum noch, wie Kalhan ausgesehen hatte.
    Vom See schallte hell und klar der Ruf des Ausgucks herüber.
    »Endlich!«, rief Iriel und rannte den Pfad zum Fluss hinunter. Die anderen lachten und folgten ihr.
    Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um zusehen zu können, wie die Purpurschlange neben einem zweiten kleineren Schiff Anker warf. Es war kein Kriegsschiff, sondern ein mittelgroßes Fischerboot mit nur einem Mast. Der Aufbau sah aus wie eine primitive Hütte. Der Anstrich, einst leuchtend blau und rot, war von Wind und Wellen abgetragen worden. Neben Reidels Vogelschwinge wirkte es wie ein Maultier neben einem Rennpferd; aber Maultiere waren zäh. Das Schiff hatte nicht nur den Untergang von Atlantis, sondern auch die Fahrt bis hierher überlebt.
    »Wie viele mögen es sonst noch geschafft haben?«, murmelte Damisa.
    »Hoffentlich haben sie etwas Gutes zu essen mitgebracht«, sagte Selast.
    »Fängst du schon wieder damit an?«, schalt Elis. »Wahrscheinlich sind sie hungriger als wir, und wir müssen um jeden Bissen losen.«
    »Nur zu«, knurrte Selast. »Heute ist mein Glückstag!«
    Inzwischen hatte sich die Nachricht von dem Schiff weithin verbreitet. Ständig strömten neue Schaulustige herbei, bis sich schließlich drei Reihen aufgeregt schwatzender Sumpfbewohner und Atlantiden hintereinander am schlammigen Ufer drängten.
    Als die beiden Schiffe Seite an Seite lagen, schoben einige Männer vom Ufer aus gehobelte Bretter an Deck. Matrosen sprangen leichtfüßig an Land und vertäuten die Schiffe an dem Baumstumpf, der als Poller diente. Damisa hielt den Atem an, als sich das Gedränge auf dem Fischerboot so weit lichtete, dass sie den ersten Fahrgast sehen konnte, einen kräftigen Mann mit schwarzem, schon leicht angegrautem Bart. Er hatte ein kleines Mädchen auf dem Arm, das etwa fünf Jahre alt sein mochte, und balancierte sehr vorsichtig über die Planke. Als er die schmale Hafenpromenade betrat, ließ die Kleine seinen Hals los und sah sich um. Damisa konnte einen kurzen Blick auf ihr Gesichtchen werfen - fein geschwungene Augenbrauen, eine edel geformte Nase und ein herzförmiger Mund.
    Der Neuankömmling blieb stehen und beobachtete besorgt, wie die Matrosen einer zierlichen Frau über die Planke halfen. Sie warf nur einen Blick auf die Menge, dann brach sie vor Dankbarkeit in Tränen aus und flüchtete sich in die Arme des Bärtigen.
    »Eine Familie!«, flüsterte Iriel. »Eine richtige Familie!«
    »Wie sähe denn eine falsche aus?«, spottete Selast.
    Aber Damisa verstand oder glaubte zu verstehen. Priester lebten, auch wenn sie heirateten, nicht immer in Familienverbänden zusammen; unter all den Flüchtlingen auf der Purpurschlange war kein einziges solches Paar gewesen. Beim Volk vom See waren Familien natürlich keine Seltenheit; aber dies hier waren Atlantiden, womöglich gehörten sie sogar der Priesterkaste an… Damisa spürte, wie ihr die Tränen kamen, und wischte sich verstohlen über die Augen, während Tiriki den Neuankömmlingen bereits mit ausgestreckten Händen entgegeneilte.
    Damisa folgte ihr empört. Seit wann ging eine Hohe Priesterin ohne Eskorte? Hatte Tiriki denn ganz vergessen, was sich gehörte? Woran sollten diese Menschen eigentlich erkennen, dass sie eine Priesterin vor sich hatten? Damisa stutzte und verglich im Geiste das überirdische Wesen, das einst in Ahtarra den Prinzen von Alkonath willkommen geheißen hatte, mit dieser Frau. Tirikis blonde Locken waren zu einem schlichten Zopf geflochten, der sich bereits wieder auflöste, und sie trug ein grob gewebtes Gewand mit ausgefranstem Saum, das obendrein mit Schlamm bespritzt war. Aber sie begrüßte die Fremden mit der selbstverständlichen Würde einer Hüterin des Lichtes.
    Inzwischen war auch Chedan dazugestoßen. Damisa sah mit Genugtuung, dass er zumindest die goldene Schnur seiner Amtstracht angelegt hatte, auch wenn sie nur eine ausgebleichte Tunika zusammenhielt… Natürlich, dachte sie, sehen auch die neuen Leute ziemlich schäbig aus. Aber sie haben eine Entschuldigung - sie waren lange auf See!
    Der Bärtige verneigte sich, ohne dabei die Frau und das kleine Mädchen vollends loszulassen. »Ihr Edlen Herrschaften!«, begann er mit einer warmen Stimme, die auch in der letzten Zuschauerreihe noch gut zu verstehen war. »Mein Name ist Forolin, ich war einst Kaufmann in der Stadt Ahtarra. Dies sind Adeyna, mein geliebtes Weib - auch sie entbietet Euch ihren Gruß -

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