Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter
reingekippt. Das ist genau wie Ebbe und Flut.«
Rufus erwiderte nichts. Aber er drückte das Buch, das ihm zugeflogen war, fester an sich, als die drei Lehrlinge kurz darauf die Aula betraten.
Im selben Moment atmeten Fili, Rufus und No erleichtert auf. Der holzgetäfelte Saal mit dem kunstvollen Parkettboden, dessen Decke sich ebenfalls wölbte, war leuchtend hell, fast golden und die besondere Ausstrahlung der Aula wirkte sofort auf sie.
Im warmen Holz der Decke und des Bodens spiegelte sich außerdem das Licht Hunderter alter Lampen und warf seinen Schein bis in die hinterste Ecke. Erlesene Kunstwerke und Artefakte reihten sich aneinander. Da gab es prächtige Gemälde an den Wänden, mit Edelmetallen durchwirkte und mit Perlen bestickte schwere Vorhänge und alte, in Silber gekleidete Tafelbilder. Zartgliedrige, helle Marmorstatuen standen auf Marmorsockeln und unter der Decke schwebten goldene Lüster und farbige Ampeln, in denen hinter geschliffenen bunten Steinen und Diamanten Kerzenschein flackerte. Es gab uralte Arbeiten aus Holz, Figuren, Tiere und Haushaltsgeräte, bemalte Steine, schwarze und goldene Masken und allerlei Zierrat.
Selbst die Stühle, die in langen Reihen den Saal füllten, waren nicht neu, und kein einziger glich dem anderen. Da waren afrikanische Hocker, orientalische Diwane, mittelalterliche Holzsessel, Polster-und Schaukelstühle. Dazwischen standen niedrige Schemel, und zwischendurch war die eine und andere schief gesessene Kirchenbank zu sehen. Es gab steinerne Löwen, deren Köpfe Armstützen und deren Schweife eine Lehne bildeten, Holzgestelle, zwischen denen Lederhäute gespannt waren, Steinbänke und Lehnstühle, Hocker mit gedrechselten und gekreuzten Beinen, auf denen Felle lagen und deren Füße wie Pfoten geformt waren. Dazu kamen Bronzehocker und schmiedeeiserne Sitzbänkchen, behauene Steinblöcke, Stühle aus Silber und Elfenbein und alle Arten von mit Goldblech und Schmucksteinen veredelte Throne.
»Mann, ist das schön hier«, sagte No ergriffen.
Filine und Rufus nickten.
Alle drei Lehrlinge fühlten, dass das seltsame Beben in diesem Raum keine Wirkung gehabt hatte.
»Und wisst ihr was? Das scheint neben der Werkhalle der einzige Ort in der Akademie zu sein, in dem sich nur ganze Sachen befinden«, sagte No plötzlich. »Nicht nur Fragmente.« Wieder nickte Filine. »Ja, vielleicht sind das die Dinge, die in den Fluten aufgetaucht sind, und sie werden hier ausgestellt. Kommt«, sagte sie dann, »setzen wir uns.«
Sie zeigte auf die anderen Lehrlinge, die in die Aula gekommen waren, während die drei Neuen sich umgesehen hatten. Inzwischen begannen die Plätze sich zu füllen. Und mit den Ankommenden kehrte auch die bedrückte Stimmung zurück. Fast niemand sprach, und trotz der hellen und freundlichen Atmosphäre in der Aula wirkte keiner der Lehrlinge und Gesellen ausgelassen oder fröhlich. In den meisten Gesichtern spiegelte sich Unruhe.
Rufus ließ sich in einen halbrunden Stuhl fallen, dessen Füße wie Vogelklauen aussahen. Das Buch legte er neben sich. Filine setzte sich auf einen niedrigen Hocker. Sie zog die Knie dicht unters Kinn und legte den Kopf darauf, sodass sie selber ein wenig wie ein urzeitlicher Vogel aussah. No plumpste auf eine der steinernen Bänke.
Dann betrat Direktor Saurini die Halle. Ihm folgten einige andere Meister. Es waren etwa zehn an der Zahl, unter ihnen Meisterin Iggle und Meister Zachus, wie Rufus erkannte.
Der kleine, kugelrunde Direktor hielt den Kopf gesenkt und stieg über einige schmale Stufen an der Stirnseite der Aula auf ein Podest. Von dort wandte er sich den anwesenden Lehrlingen, Gesellen und Meistern zu.
»Liebe Mitglieder der Akademie«, hob er an. »Wir alle haben es eben gespürt, und auch mir steckt das, was soeben passiert ist, noch in den Knochen. Ich hatte gehofft, heute oder morgen einen großen Erfolg unserer Akademie verkünden zu können – und jetzt stehe ich hier und muss von einer der schwersten Enttäuschungen berichten, die wir in den vergangenen Jahren erleben mussten. Wir haben soeben das phönizische Handelsschiff verloren.«
Ein dunkles Raunen ging durch den Saal und der Direktor schwieg. Schließlich hob er die Hand. »Das ist ein schwerer Schlag. Denn all unsere Arbeit und unser Wissen, die wir in dieser großen Flut aufgewendet haben, haben uns nicht geholfen. Und es ist uns noch nicht klar, worin der Fehler bestand, den wir begangen haben. Wo wir den falschen Weg beschritten haben und
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