Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter
den Tisch schafft, haltet euch an den Regalen fest oder legt euch flach auf den Boden, mit den Gesichtern nach unten und den Händen über den Kopf, falls die Bücher aus den Regalen stürzen!«
Rufus warf einen erschrockenen Blick über sich. Die Bücher in den Regalen ragten auf wie ein gewaltiges Gebirge. Ein gewaltiges und ziemlich schwankendes Gebirge. Schnell krabbelte er unter den nächsten Tisch.
Hinter ihm stand Filine mit weit ausgebreiteten Armen auf dem schwankenden Boden. Ihr Haar wogte um ihren Kopf und ihre Fingerspitzen tanzten etwas unsicher durch die Luft, aber ihre grünen Augen waren ruhig und überlegt.
»Ist das ein Erdbeben, Magistra Iggle?«, rief sie.
»So könnte man es nennen«, antwortete die Meisterin, die sich an einem der Tischbeine festklammerte. Auf ihrem Schoß saß Minster mit eingezogenem Kopf und zitternden Schnurrbarthaaren. »Ich fürchte nur, dass die Folgen dieses Ereignisses schlimmer sein werden als die eines einfachen Erdstoßes. Ihr wisst es noch nicht, aber das sind die Anzeichen einer gescheiterten Flut. Einer großen gescheiterten Flut. Und das bedeutet, alle Arbeit war umsonst. Alle Intuition, alles Wissen, Studium und Liebesmüh – vergebens. Es tut mir leid, dass ihr so etwas zu eurer Ankunft erleben müsst.«
Rufus verstand nicht wirklich, wovon Meisterin Iggle sprach. Er spähte unter dem Tisch hervor und im nächsten Augenblick riss er die Arme über den Kopf, als aus höchster Höhe ein Haufen Bücher angeschossen kam. Mit lautem Knallen fielen sie um den Tisch herum auf den Boden. Dabei streifte eines seine Schulter. Rufus packte es, ohne nachzudenken, und hielt es fest.
»Lieg still, Junge!«, rief Meisterin Iggle. »Und du, Filine Breulhahn, bring dich endlich in Sicherheit! Das ist das heftigste Scheitern, das ich seit Langem erlebt habe. Oh, meine armen Bücher. Es wird Wochen dauern, bis wir das wieder in Ordnung gebracht haben. Minster, da wartet Arbeit auf dich.«
Für einen Moment wurde das Beben schwächer. Rufus drückte das Buch an sich und sah besorgt nach seinen Freunden. No stand immer noch an das Regal gedrückt mit großen Augen da und verfolgte fassungslos das Chaos um sich herum. Filine balancierte leichtfüßig und sicher mitten im Raum, als hätte sie nicht die geringste Furcht, von einem der Bücher getroffen zu werden.
»Fili, komm da weg. Das ist gefährlich!«
Aber Filine schüttelte nur leicht den Kopf. Sie sah den fallenden Büchern zu, als stünde sie im Regen und würde die Regentropfen bewundern. Und gleichzeitig sah es aus, als flögen die Bücher um sie herum. Tatsächlich wirkte Filine irgendwie unverwundbar.
Von einem auf den anderen Moment versiegte der Bücherregen. Der Boden hörte auf zu schwanken, die Bücher in den Regalen standen wieder still, und eine halbe Minute später war der Schrecken vorüber. Nur die großen Berge von aus den Regalen gefallenen Büchern zeugten noch von dem unheimlichen Ereignis.
»Warum hast du dich nicht in Sicherheit gebracht?« Fassungslos sah Rufus Filine an.
Filine lächelte ihm zu. »Ich habe früher viel voltigiert. Du weißt schon, diese Gymnastik auf dem Pferderücken, die alle Mädchen so lieben.« Sie lachte verschämt. »Und mein Gleichgewichtssinn ist ganz gut. Außerdem hatte ich einfach keine Angst.«
»Aber die Bücher von oben – das hat nichts mit dem Gleichgewicht zu tun, wenn man da eins auf den Kopf kriegt!«, keuchte No, der sich jetzt zögernd von seinem Regal löste.
Filine nickte. »Ich habe noch nie so viele fliegende Bücher gesehen. Das sah einfach zu verrückt aus, um mich zu verstecken.«
Meisterin Iggle sah das Mädchen neugierig an. »Du scheinst Bücher sehr zu mögen.«
Filine nickte stumm.
»Ja«, sagte sie dann. »Aber ich begreife nicht, was hier eben passiert ist. Es war, als hätte eine fremde Kraft die Bibliothek in einen wüsten Bücherberg verwandeln wollen. Alle Ordnung war plötzlich dahin. Ist es so gewesen?«
»Nein!« Meisterin Iggle blickte die Lehrlinge gefasst an. »Ihr werdet es gleich zu hören bekommen. In der Aula. Nach dem Scheitern einer Flut versammeln wir uns immer in der Aula. Ich bin sicher, Direktor Saurini wird alles erklären. Aber eins versichere ich euch. Es war nicht Chaos, das wir eben erlebt haben. Es war der Schmerz der Akademie, dass wir die Geschichte eines Artefakts nicht verstanden haben.« Sie nickte den dreien zu.
Rufus stand auf. Er hielt noch immer das Buch an sich gedrückt.
»Möchtest du das
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