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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Er fühlte sich gleich besser und hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Cognac mehr zu seinem Wohlbefinden beitrug als die Tablette.
    Zu wenig Schlaf, zu viel Alkohol, eine Kombination, die bei ihm immer für Kopfschmerzen sorgte. Er hätte es wissen müssen, aber er hatte einfach keine Ruhe gefunden ohne die Cognacflasche.
    Als der Nachtportier ihm gestern Abend den Umschlag über den Tresen schob, hatte er sofort gewusst, dass der Brief von ihr war, hatte das Kuvert aufgerissen, noch während er im Fahrstuhl nach oben gefahren war. Hatte eine Flasche Cognac geöffnet, sich noch im Mantel in einen der Sessel gefläzt und gelesen. Und hatte nicht gewusst, ob er sich mehr freuen oder mehr ärgern sollte über diese Zeilen, die sie am Nachmittag irgendwann in der Carmerstraße abgegeben haben musste.
    Er wusste nicht, wie oft er ihren Brief seither gelesen hatte, immer und immer wieder.
    Ohne ihn dadurch besser zu verstehen. Sie sei nicht dafür gemacht, stundenlang auf ihn zu warten? War das nun schon das Nein zu seinem Heiratsantrag? Und Berlin freute sich, sie wiederzuhaben – meinte sie damit vielleicht auch einen anderen Mann? Oder doch nur die olle Krause? Immerhin, sie hatte ihn nicht vergessen. Aber dass sie auch noch betonen musste, wie viele Leute sie bereits besucht hatten …
    Auch jetzt, wo er den Brief bei halbwegs klarem Kopf im Auto noch einmal las, wurde er nicht schlau aus ihren Zeilen, doch erschienen ihm ihre Worte viel positiver, viel freundlicher. Das Beste aber, besser als jedes einzelne Wort, war, dass der Brief nach ihr duftete. Selbst heute Morgen noch konnte er irgendwo zwischen den Gerüchen des Papiers und der Gummierung tatsächlich Charlys unverwechselbaren Duft ausmachen, der ihm das ganze letzte Jahr mehr gefehlt hatte als alles andere. Er roch noch einmal an dem Briefpapier und steckte es zurück ins Kuvert.
    Kirie, die auf dem Beifahrersitz hockte und ungeduldig darauf wartete, dass man ihr endlich öffnete, bellte zweimal laut und riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Hast ja recht, altes Mädchen, wir müssen los.«
    Rath machte einen kleinen Schlenker über den Alex und ließ den Hund noch einmal pinkeln, bevor er das Polizeipräsidium betrat. Der riesige Backsteinbau wirkte so finster wie eine mittelalterliche Burg, und so wurde er auch von denen genannt, die dort arbeiteten: die Burg. Früher hatte das Präsidium tatsächlich wie eine rote Burg den Alexanderplatz beherrscht, nun aber hatten die Neubauten es weg vom Platz und in die zweite Reihe gedrängt. Der Polizeipräsident, der von seiner Dienstwohnung im ersten Stock einst freie Sicht auf den Alex genossen hatte, musste sich nun mit dem Ausblick auf die Fensterreihen des Alexanderhauses begnügen, in dem auch das Restaurant von Aschinger einen neuen Platz gefunden hatte.
    Rath fand sein Büro in der ersten Etage noch verschlossen vor. Erika Voss, die Sekretärin, kam erst um acht; daran hätte er eigentlich denken müssen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Kirie mit zum Konferenzsaal zu nehmen. Dort herrschte schon einiger Betrieb, die Sitzung sollte in wenigen Minuten beginnen. Rath drängte sich durch die Menge, möglichst weit nach hinten. Einige Kollegen schauten verwundert, als er sich mit dem Hund an der Leine seinen Weg durch den Saal bahnte, aber was hätte er tun sollen? Draußen anbinden konnte er Kirie ja wohl schlecht.
    »Stellen sie uns heute auch die neuen Polizeihunde vor?«, fragte ein Beamter. Die Umstehenden lachten, und Rath quälte sich ein Grinsen ins Gesicht. Er hatte die nervöse Kirie gerade mit einem scharfen »Sitz!«, dem der Hund tatsächlich und zur Überraschung seines Herrchens Folge leistete, zur Räson gebracht, da kamen sie auch schon: einer nach dem anderen, Lange an dritter Stelle und am Ende der Reihe Charly und eine weitere Frau und hinter den Kommissaranwärtern schließlich Bernhard Weiß. Und obwohl Rath gewusst hatte, dass er sie hier wiedersehen würde, schlug sein Herz schneller. Charly trug eine unauffällige mausgraue Kombination, in der sie gleichwohl umwerfend aussah, und Rath hatte den Eindruck, dass so ungefähr jeder im Saal sie anstarrte. Obwohl nichts dergleichen zu hören war, kam es ihm vor, als pfiffen ihr sämtliche Männer hinterher, jedenfalls guckten alle so, als würden sie gerne pfeifen. Rath spürte die altbekannte Wut in sich aufsteigen und konnte nichts dagegen tun, außer die Zähne zusammenzubeißen.
    Die Novizen setzten sich in die erste Reihe und waren

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