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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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hier nicht freiwillig, meine Eltern zwingen mich dazu.
    »Danke«, sagte Rath und freute sich über den Duft des frisch aufgebrühten Kaffees.
    »Wünschen der Herr noch etwas?«
    Rath schaute den Kriminalassistenten an. »Vielleicht noch einen Kaffee für meinen Kollegen?«
    Kowalski winkte ab. »Danke.«
    »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    »Danke, Herr Kommissar, ich stehe lieber. Wie sieht Ihre Order für heute aus? Kann ich Ihnen bei den Befragungen helfen? Soll ich Sie irgendwohin fahren?«
    »Nichts dergleichen. Fahren kann ich selbst. Machen Sie mit Ihrer gestrigen Arbeit im Archiv weiter. Irgendwann werden Sie doch noch etwas finden, da bin ich mir sicher.«
    »Jawohl, Herr Kommissar.«
    »Schauen Sie auch mal ins Zeitungsarchiv. So was gibt es doch in Treuburg, oder?«
    »Eine Zeitung? Natürlich.«
    »Na wunderbar.« Rath legte sich die blütenweiße Serviette auf den Schoß. »Wenn Sie die Gerichtsakten durchgesehen haben, machen Sie da doch weiter – vielleicht finden Sie ja heute etwas.«
    Kowalski machte einen leicht beleidigten Eindruck. Wahrscheinlich hatte er sich seine Tage in Treuburg anders vorgestellt, als in Kellerräumen Archivstaub zu schlucken. Wahrscheinlich hatte er auch andere Instruktionen, war aber zu sehr Preuße, um es zu wagen, den Befehlen eines Kommissars zuwiderzuhandeln. Er salutierte zackig und war schon an der Tür, da fiel Rath noch etwas ein.
    »Ach, Kowalski …«
    Der Kriminalassistent drehte sich um. »Herr Kommissar?«
    »Sprechen Sie eigentlich Masurisch?«
    »Ein wenig.« Kowalski wirkte, als sei ihm dieses Eingeständnis ein wenig peinlich. »Groska zum Beispiel heißt Großmutter. Und Grosek Großvater. Warum fragen Sie?«
    »Ach, nur so.«
    »Mein Onkel spricht noch fließend Masurisch. Und meine Großeltern haben nichts anderes gesprochen.«
    Rath nickte und ließ den Kriminalassistenten ziehen. Nach der ersten Tasse Kaffee war er auch in der Lage, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Die Brötchen hier waren wirklich gut. Und das Quittengelee bestimmt selbst gemacht.
    »Hella?«
    Es musste der richtige Name sein, jedenfalls kam das Mädchen an seinen Tisch. Eigentlich war sie ganz hübsch; blond und braun gebrannt. Nur die geflochtenen Zöpfe ließen sie wie eine Landpomeranze aussehen. Eine andere Frisur, ein bisschen Schminke, ein modisches Kleid und selbst die Männer in Berlin würden sich die Hälse nach ihr verrenken.
    »Wünschen der Herr noch etwas?«
    Den Satz schien sie auswendig gelernt zu haben.
    »Nein danke, alles bestens.« Er drückte ihr ein Markstück in die Hand. »Schon lange nicht mehr so gut gefrühstückt.«
    »Danke, der Herr.«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihn umhaute. Vielleicht auch, weil es so unerwartet kam. Als sie den Tisch abräumte, streifte sie seinen Arm.
    Rath räusperte sich. »Viel los heute«, sagte er. »Da draußen, meine ich.«
    »Freitag ist Markttag.«
    Sie knickste und verschwand mit dem Tablett und einem letzten Lächeln in Richtung Küche.
    Rath riss seinen Blick von ihrer Rückansicht los und stand auf. Zeit aufzubrechen.
    Freitag war Markttag, in der Tat, und entsprechend lange brauchte er, bis er sich mit dem Wagen einen Weg durch das Gewimmel aus Tieren und Menschen da draußen gebahnt hatte. Irgendwie schaffte er es schließlich doch, die Bahnhofstraße zu erreichen, ohne ein Schwein überfahren zu haben. Vor der Litfaßsäule an der Straßenecke waren ein paar Jünglinge in Braunhemden damit beschäftigt, die Kommunistenplakate von gestern Nacht wieder abzureißen, und kein Mensch störte sich daran. Rath überlegte kurz, ob er einschreiten sollte, aber der Weg über den Markt hatte ihn ohnehin schon zehn Minuten gekostet. Bis zur Luisenhöhe konnte er die nicht mehr aufholen, sosehr er auch aufs Gas trat. Um fünf nach zehn parkte er vor der Freitreppe des Gutshauses. Diesmal kam ihm niemand entgegen, er musste klingeln.
    Ein livrierter Diener öffnete und zog eine Augenbraue hoch.
    »Direktor Wengler erwartet mich«, sagte Rath und reichte dem Livrierten seine Karte.
    Direktor Wengler ließ ihn warten. Fünf Minuten durfte Rath in der Halle stehen, dann kehrte der Diener zurück und bat ihn in einen Salon, wo das Warten von Neuem begann. Rath kam sich vor wie beim Arzt. Auf dem Tisch lagen die Fachorgane, die er bereits aus Lamkaus Nachlass kannte: Alkohol und die Zeitschrift für die Spiritusindustrie . Er blätterte durch die Seiten und rauchte, doch dauerte es länger als eine Zigarettenlänge, ehe sich

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