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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Treuburg Wahlplakate kleben wollten, dann wüssten Sie, warum«, sagte Rammoser. »Wenn Sie bei dieser Tätigkeit Wenglers Leuten in die Hände fallen, ist das kein Vergnügen.«
    »Wenglers Leute? Hat der denn immer noch Schlägertrupps im Einsatz? Ich dachte, das hätte sich mit der Volksabstimmung erledigt?«
    »Hier hat sich gar nichts erledigt«, sagte Rammoser. »Nur tragen Wenglers Schläger jetzt Uniform. Und kleben selber Plakate. Die mit den Hakenkreuzen.«
    35
    A m nächsten Morgen wurde Rath von einem gewaltigen Geschrei und Getöse geweckt. Er konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen; es klang, als würden da draußen Tausende Menschen einen Boxkampf anfeuern, während gleichzeitig die Bremer Stadtmusikanten ein Konzert gaben – allerdings in Orchesterstärke.
    Und so etwas Ähnliches war es auch. Als Rath, noch ein wenig benommen, ans Fenster tappte und den Vorhang beiseitezog, fand er den gestern noch so friedlichen Treuburger Marktplatz in ein Tollhaus verwandelt. Kühe und Pferde, Gänse und Hühner, Schafe und Schweine, überall wurden Tiere zum Verkauf angeboten, und deren Lärmen mischte sich mit den Rufen der Marktschreier. So laut und wortreich also konnten Ostpreußen sein, wenn sie denn wollten.
    Rath schlurfte ins Badezimmer und befühlte seinen Kopf. War doch nicht so groß wie gedacht. So langsam kehrte auch die Erinnerung zurück. Rammoser, der Dorflehrer. Der nächtliche Ausflug zum Friedhof. Die Geschichten über Herbert Lamkau und Gustav Wengler. Und getrunken hatten sie dann auch noch. Bei einem Bier im Kronprinzen war es nicht geblieben, nicht einmal beim Bier, irgendwann hatten sie Luisenbrand kommen lassen. Rath hatte keine Ahnung mehr, wie viele, aber es mussten zu viele gewesen sein.
    »Mit dem Zeug hier hat Wengler ein Vermögen gemacht.« Das hatte Rammoser gesagt, als sie das erste Mal die Schnapsgläser hoben, ansonsten hatten sie das Thema nicht mehr angeschnitten.
    Aber getrunken hatten sie das Zeug, zu jedem weiteren Bier noch einen.
    Rath hatte sich nicht viel dabei gedacht, schließlich war nicht er derjenige, der noch sechs Kilometer auf dem Fahrrad vor sich hatte. Am Ende jedoch hatte der Kommissar deutlich größere Probleme mit der Aufgabe gehabt, quer über den Marktplatz zu gehen und die Treppe des Salzburger Hofs hinauf bis in sein Zimmer im ersten Stock, als der Dorflehrer mit seinem Drahtesel, den er draußen an eine Straßenlaterne gelehnt hatte. Karl Rammoser hatte sich auf sein Rad geschwungen, als wolle er ein Rennen gewinnen. Und kein bisschen geschwankt dabei. Jedenfalls soweit Rath das gestern Abend noch hatte beurteilen können, bevor er selbst dann über den Marktplatz getorkelt und endlich hundemüde in sein Bett gefallen war.
    »Besuchen Sie mich doch mal in Wielitzken im Schulhaus, wenn Sie in der Nähe sind«, hatte der Lehrer zum Abschied noch gerufen.
    Rath fühlte sich seltsam beschwingt, wenn er an den gestrigen Abend dachte. Karl Rammoser war mehr als nur ein Informant – der erste brauchbare, den er hier überhaupt gefunden hatte –, er war einfach ein netter Kerl. Leider kam Rammoser nicht direkt aus Treuburg, aber vielleicht war das auch ein Vorteil. Vielleicht machte gerade das den Dorflehrer redseliger, dass er nicht so richtig dazugehörte.
    Rath schaute auf die Uhr. Zeit fürs Frühstück, wenn er nicht zu spät auf der Luisenhöhe vorfahren wollte. Kaltes Wasser half gegen die Müdigkeit, gegen die Kopfschmerzen half Aspirin. Glücklicherweise hatte er in Berlin daran gedacht, ein Röhrchen einzustecken.
    Als er nach unten kam, wartete Kowalski bereits in der Gaststube, heute ohne Papierfetzen im Gesicht. Der Kriminalassistent stand auf und nahm Haltung an.
    »Guten Morgen, Herr Kommissar.«
    »Morgen, Kowalski. Und? Erfolgreich gestern Abend?«
    »Ich hab ein paar Zeugen gefunden, die sich an den ein oder anderen unserer Männer erinnern konnten.«
    »Und? Irgendwelche Erkenntnisse?«
    »Leider keine, Herr Kommissar. Außer, dass alle drei wohl seinerzeit in der Luisenbrennerei beschäftigt waren.« Kowalski fingerte in seiner Jackentasche herum. »Hier die Adressen, die können Sie alle noch mal befragen, wenn Sie wünschen.«
    Rath steckte den Zettel ein, den Kowalski hervorgekramt hatte, und bedankte sich. Kaum hatte er sich gesetzt, kam das Mädchen, das sie gestern Mittag schon bedient hatte, mit dem Frühstückstablett. Hella, wenn Rath sich recht erinnerte. Sie machte ein Gesicht, das so viel sagte wie: Ich mache das

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