Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte Veden

Die Akte Veden

Titel: Die Akte Veden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
Vom Netzwerk:
zu murmeln, aber Tim konnte nichts verstehen. Als Loki den Kopf hob, war das Leben erneut aus den Augen des Zombies gewichen. Sein Körper lag jetzt still.
    Tim ließ die Pistole in der Hand sinken. Ihm wurde urplötzlich schwindelig. Er machte ein paar Schritte von Loki und der Leiche weg, lehnte sich mit dem Kopf gegen eines der Rolltore und schloss die Augen. Mit zittriger Hand schob er die Waffe in das Holster an der Hüfte und ließ das Sweatshirt drübergleiten. Während er so dastand, hörte er hinter sich geschäftiges Treiben. Über ihm polterten Schritte über das Flachdach. Nach einiger Zeit, in der sich Tim darum bemühte, sich nicht zu übergeben, legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter.
    »Hier.«
    Er drehte sich um und sah in Lokis ausdrucksloses Gesicht. Sein Cousin hielt ihm eine angezündete Zigarette hin, in seinem Mundwinkel hing ebenfalls eine. Tim nahm sie.
    »Einer der Scharfschützen hat die Beherrschung verloren«, sagte Loki. »Es ist, wie es immer ist: Wenn einer anfängt, machen alle mit. Der Mensch ist ein so erbärmlich einfaches Tier.« Er seufzte und zog an der Zigarette. »Und da kommt auch schon eines dieser Exemplare.«
    Tim hob den Blick und sah Lünsmann auf sie zukommen.
    Das Gesicht des Kommissars war feuerrot vor Wut. »Ich will einen Bericht«, rief er, bevor er noch bei ihnen war. »Und zwar einen, in dem genau steht, was da zwischen Ihnen und dem armen Buttscher abgelaufen ist! Ist das klar?«
    Loki sah vollkommen gelassen aus. Hätte er nicht blutverschmierte Knie, hätte man ihm nicht angesehen, was vor wenigen Minuten noch vor sich gegangen war. Seine Mundwinkel lächelten. »Sie haben doch alles mitbekommen, Herr Lünsmann.«
    »Halten Sie mich nicht für dumm! Ich hab gesehen, dass er noch was zu Ihnen gesagt hat, als Sie ihm den Kopf auf den Mund gepresst haben!«
    Loki sah Tim an. »Wir müssen uns jetzt verabschieden. Meinem Kollegen geht es nicht besonders gut nach diesen unheilvollen Vorkommnissen. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Herr Kommissar.« Er griff nach Tims Ellbogen und führte ihn über den Platz.
    »Ich will den Bericht morgen!«, blaffte Lünsmann hinter ihnen her.
    Loki drehte sich noch einmal um. »Hören Sie sich in Yanniks Familie und Freundeskreis um«, sagte er. »Ich denke, Yannik war drogenabhängig.«
    Sie erreichten ihren Wagen, stiegen ein und fuhren los. Tim warf die Zigarettenkippe aus dem offenen Fenster. Als sie um die nächste Ecke bogen und die Blaulichter damit außer Sicht waren, streckte er den Kopf hinaus und übergab sich.

* * *

    Weißdecke... dunkler Himmel... grelles Licht... Finsternis... Hinterhof... Das Licht brannte sich in seine Pupillen, es war jetzt nicht mehr abzustreiten. Und jemand brüllte. Die Finsternis schien Löcher in das Licht zu setzen, als würde sich ein Schwarzes Loch durch die Wirklichkeit fressen. Oder bohrte sich das Licht durch die Dunkelheit? Und ständig dieses Gesicht. Überall dieses Gesicht...
    Wer, zum Teufel, ist denn der Kerl da?
    Diese Stimme! Oh bei Gott, diese Stimme! Dieses Gesicht!
    »Pass auf!«, schrie jemand übernatürlich laut. » Pass auf ! Er wird dich erwischen!« Ein Schluchzen folgte.
    In diesem Moment erkannte Chest, dass es seine eigene Stimme war, die so übernatürlich schrie. Dass er es war, der so laut schluchzte. Mit dieser Erkenntnis verflog der Dunst, der ihn von der Wirklichkeit trennte, und mit sich nahm er die Dunkelheit, das Gesicht und die Imagination. Was übrig blieb, war die Weißdecke, ein kratziger Hals und Hora, der sich auf Chests Brustkorb gekniet hatte und mit festem Griff seine Handgelenke umfangen hielt.
    Chest starrte an die Weißdecke hinauf. Als er Hora in die Augen sah, bemerkte er, dass ihm Tränen in den Augen standen. Wuttränen.
    »Kann ich dich jetzt loslassen?«, fragte Hora trocken.
    Chest antwortete nicht. In seinem Inneren tobte ein Sturm, ein längst unbekannter Sturm.
    Hora lockerte den Griff um Chests Handgelenke langsam, nahm dann ein Bein herunter und schließlich auch das andere. Als er vor dem Sofa stand, blickte er noch einen Moment auf Chest hinunter, bevor er einen Joint auf seinen einstigen Klassenkameraden hinunterfallen ließ. Hora drehte sich um, ging zurück zu seinem Labor und setzte sich auf seinen Stuhl.
    Chest packte den Joint mit der Rechten, setzte sich auf und zündete ihn mit zittrigen Fingern an. Er inhalierte zweimal tief und starrte vor sich auf den Boden. Er hatte Mühe, das Toben in seinem Inneren unter

Weitere Kostenlose Bücher