Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte Veden

Die Akte Veden

Titel: Die Akte Veden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
Vom Netzwerk:
regelmäßigen Abständen wippen. Lokis Knöchel an den Händen waren weiß vor Anstrengung, jeder Muskel in den Armen gespannt, damit das Auto nicht ausbrechen konnte. Die Schnauze des kleinen Volvo kam knapp einen Meter vor der Flanke des Lkws zum Stehen.
    Tim keuchte. Ihm tropfte eine Schweißperle von der Stirn.
    » Hahaha !«, machte Loki, und für Tims Geschmack sah er dabei eindeutig zu wahnsinnig aus, selbst für seine Verhältnisse. Loki schlug die Faust auf die Hupe und streckte den Kopf zum offenen Fenster hinaus. »Weg mit dir! Sofort !«
    Der Lkw kam in Bewegung, fuhr langsam rückwärts, zurück in die Einfahrt, aus der er gekommen war. Loki fuhr ebenfalls schlingernd zurück, schlug den ersten Gang krachend ins Getriebe und ließ den Lkw hinter sich. Sofort hatte er wieder auf eine Geschwindigkeit beschleunigt, die Tim irgendwann den Verstand kosten würde.
    Es roch beißend nach verbranntem Gummi.
    »Wir jagen da ein Genie, ich weiß es.«
    Tim wischte sich den Schweiß mit dem Hemdärmel von der Stirn. Er fingerte eine Zigarette aus der Schachtel, und als sie eine kleine Strecke geradeaus fuhren, zündete er sie an. Der Zug war tief, er beruhigte ihn.
    »Wen meinst du? Den verrückten Imaginator?«
    »Imago. Nicht Imaginator. Wobei das ein hübscher Neologismus wäre.« Das letzte Wort presste Loki hervor, denn er hatte Mühe, den Wagen durch sein Schlangenlinienfahren zwischen den Autos hindurch nicht gegen die Leitplanke zu setzen. »Aber ja, ihn – oder sie – meinte ich.«
    »Genie hin oder her.« Tims Hand zitterte, als er sich die Zigarette an die Lippen führte. »Ich werde ihn umbringen, eigenhändig.«
    »Oder sie.«
    Tim warf Loki einen Blick zu. »Seit wann bist du so bedacht auf politisch korrekte Formulierungen? Hast du etwa eine Frau in Verdacht?«
    »Nein. Ich wollte nur etwas Neues probieren. Aber es ist nicht sehr reizvoll.«
    »Und mir kommt der Moment für Neues auch ziemlich unpassend vor.«
    » In hundert Metern sind Sie am Ziel angekommen «, teilte die Navi-Stimme freundlich mit. Und prompt konnten sie in der Ferne, zwischen einigen bunkerartigen Gebäuden das wirre Blinken mehrerer Blaulichter ausmachen. Mit hohem Tempo hielt Loki auf die Lichter zu. Als sie nicht mehr weit von den ersten Einsatzwagen entfernt waren, wurden die Reifen noch einmal auf ihre Qualität getestet, und dann stand der Volvo endgültig still. Tim und Loki sprangen aus dem Wagen, ließen die Türen offen stehen und rannten durch die wild geparkten Autos hindurch.
    Sie befanden sich auf einer Liefererzufahrt, in einer Sackgasse, die in einen großen, rechteckigen Platz mündete. Auf allen Seiten waren die Rolltore geschlossen, der Betrieb schien verlassen. Vor ihnen hatte die Polizei eine Wand aus Scharfschützen gebaut. Derjenige, der sich auf dem Platz befand, hatte keine Möglichkeit zur Flucht. Als Tim einen Blick auf die Flachdächer warf, konnte er auch dort mehrere postierte Leute der Spezialeinheit ausmachen.
    Sie bahnten sich einen Weg durch die Polizisten. Loki hielt seinen Ausweis in die Höhe. Als sie fast die Wand aus Scharfschützen erreicht hatten, tauchte Lünsmann auf. Er hatte seine massige Gestalt in eine kugelsichere Weste gezwängt, die Haare standen ihm wirr vom Kopf ab. Sein Gesicht war gerötet. Tim bemerkte erst jetzt den Wind, der ihnen um die Ohren blies.
    »Das hat ja gedauert«, raunzte der Kommissar.
    Loki wirkte neben dem Koloss klein und mager. »Wer ist es?«
    Lünsmann verengte die Augen. »Sie rechnen also damit, dass es einer der Vermissten ist?«
    »Kein Kräftemessen jetzt«, erwiderte Loki. »Wer ist es?«
    Lünsmann stieß Atem aus. »Ich glaube, es handelt sich um Yannik Hansen. Kommen Sie mit!« Er drehte sich um und ging nach rechts, scheuchte seine Männer zur Seite und stellte sich so, dass Loki und Tim durch einen schmalen Spalt in der Mauer aus Scharfschützen hindurchgehen konnten.
    Tim hörte Loki neben sich scharf Luft einziehen. Er selbst warf nur einen kurzen Blick auf die Gestalt, die in der Mitte des Platzes dastand und mit dem Kopf von einer auf die andere Seite wippte, als höre sie Musik und wiege sich im Rhythmus.
    Das Gesicht war teilnahmslos wie das des Mädchens von den Fotos, die Haut bleich, die Kleidung hing ihm in verdreckten, blutdurchtränkten Fetzen herunter. Das Schlimmste aber war das klaffende Loch in seiner Bauchdecke – und die Gedärme, die sich daraus ergossen. Es war ein Wunder, dass der Kerl noch stehen konnte.
    Loki schien

Weitere Kostenlose Bücher