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Die Akte Veden

Die Akte Veden

Titel: Die Akte Veden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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er.
    Beide wussten, dass Chest Recht hatte. Hora war einer der besten Kämpfer ihrer Schule gewesen, wahrscheinlich seit Jahrhunderten der beste, doch die Zeiten hatten sich geändert. Hora war nicht wie Chest.
    Wie Chest zu sein hätte Hora längst umgebracht. Seine eigenen Gedanken, die Blutschuld und die Kausalität hätten ihn mittlerweile von innen zerfressen wie ihr Pulver die Nasenschleimhäute.
    »Ich erledige das jetzt gleich«, sagte Chest. »Gib mir zwei Stunden.«
    Horas Blick war prüfend. Seine Gedanken lagen ausgebreitet vor Chest: ›Zwei Stunden sind zu wenig. Zwei Stunden reichen nicht einmal, um die Hälfte unserer Ausbildung aufzuarbeiten. Zwei Stunden sind ein Witz.‹
    Chests Grinsen glich einem Zerrbild desgleichen. Er sah Hora in die Augen, seine Lippen schoben sich weiter auseinander und ließen weiße, ebenmäßige Zähne sehen.
    ›Für dich , Hora! Du bist ein gefühlsduseliger Vollidiot. Ein lahmer gefühlsduseliger Vollidiot. Pampe du weiter die Substanzen zusammen. Ich regle unsere Zukunft. Gib mir zwei Stunden.‹
    Hora seufzte. Er verdrehte die Augen, drehte sich wieder zum Schreibtisch um und fing an, das Pulver aus der Waagschale zu schaufeln.
    »Mach«, sagte er. »Du elendiger Aufschneider.«
    Chests Grinsen blieb. Er drehte sich eine neue Tüte, rauchte sie genüsslich, beobachtete dabei den Rücken von Hora und lauschte den Gedanken, die durch das aufgeweichte Hirn seines Kompagnons huschten wie Schatten auf einer vielbefahrenen Straße in der Nacht.
    Nachdem er fertig geraucht hatte, schloss er die Augen, lockerte seine Gelenke und nahm Abstand von allem: von seiner Wohnung, von Hora, seinen eigenen Gedanken, seiner Blutschuld, selbst von seinem Körper.

* * *
    »Verschwundene Menschen?« Loki blätterte in der Mappe, warf jeweils kurze Blicke auf die Ausdrucke. »Sie stören unser Training, damit ich mir eine Akte über verschwundene Menschen ansehe?«
    »Training?« Der Kommissar der Outsider-Vereinigung verschränkte die Arme vor der Brust und warf Tim einen Blick zu.
    »Schießtraining«, antwortete dieser. »Er holt mich um fünf Uhr morgens aus dem Bett, um mich auf Pappkartons schießen zu lassen.«
    Loki nahm ein Foto aus der Mappe und sah es sich an.
    »Jetzt ist es acht«, sagte der Kommissar und setzte sich mit einer Pobacke auf seinen Schreibtisch. »Ihr werdet ja wohl nicht stundelang um euch ballern?«
    »Nein. Nach zwei Stunden Schießtraining muss ich auf den Trimm-dich-Pfad im Park.«
    Loki warf Tim einen schnellen Blick zu. »Wie Sie wissen, ist mein lieber Cousin Johnny kein Outsider. Er hat keine übernatürliche Fähigkeit. Er muss trainieren, damit er für mich von Nutzen ist. Jetzt sagen Sie schon, warum haben sie uns hergeholt?« Loki legte das Foto zurück, schloss die Mappe und sah zum Kommissar auf. »Mich interessieren diese entwichenen Menschen nämlich rein gar nicht.«
    Der Kommissar seufzte. »Sie wissen ganz genau, dass ich Sie nur hole, wenn es um Verschlusssachen geht. Wir wollen innerhalb der Vereinigung keinen Dreck, unsere Gendarmerie darf damit nicht in Berührung kommen, solange wir nicht wissen, was da oben bei den Fischköpfen vor sich geht. Haben Sie sich die Zahlen angesehen?«
    Loki nickte und ließ es zu, dass Tim ihm die Mappe aus der Hand nahm. »Ja. Aber das macht es nicht interessanter.«
    »Was Sie interessiert geht mir am Arsch vorbei.«
    Loki lächelte. »Natürlich.«
    »Acht Vermisste allein in der letzten Woche?« Tim sah vom Dokument auf. »Und nicht die geringste Spur von ihnen?«
    »Überhaupt keine.«
    »Was kümmern uns die Menschen? Sie haben ihre eigenen Geheimdienste«, sagte Loki.
    Der Kommissar nahm Tim die Akte weg, blätterte in ihr, zog ein Blatt Papier heraus und hielt es Loki hin. »Sie scheinen nicht gründlich genug hineingesehen zu haben. Alle Vermissten stammen aus dem Umkreis der Kampfschule.«
    Loki warf keinen Blick auf das Papier, machte auch keine Anstalten, es zu nehmen. »Das ist mir keineswegs entgangen.«
    »Sie wissen, was diese Schule ist?«
    »Kampfschule?«, fragte Tim, nahm an Lokis Stelle das Dokument und überflog ein paar Zeilen: »Fünfzehnhundertzwölf gegründet. Uralte Outsider-Kampfkunst. Training des Körpers, um den Geist für Imagination zu stählen.« Er ließ das Blatt Papier mit der Hand sinken. »Was sind das für Freaks? Hab noch nie von ihnen gehört.«
    »Freaks, Sie sagen es«, antwortete der Kommissar. »Diese Freaks rangieren am Rande eines dichtbesiedelten Gebiets,

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